Mittwoch, 29. April 2020

Die schlechten Seiten der Globalisierung oder der Traum von einem neuen Sozialismus

Schon vor der Corona-Krise war die Globalisierung in der Kritik. Jetzt sehen viele die Chance oder die Notwendigkeit gekommen, um das ganze System in Frage zu stellen. In dieser Presseschau stelle ich drei Artikel vor.

Kehrt sich die Globalisierung auf?

Der SPIEGEL zeigt auf, dass sich bereits vor der Corona-Krise der Welthandel nicht mehr angestiegen ist. Die Politik wird dominiert von einem protektionistischen US-Präsident, China, das zwar nach außen den Freihandel hochhält, aber sich nach innen abschottet und Zweifel in vielen Staaten der Welt. Auch die Wirtschaft hat Lieferketten durch die Produktion in der Nähe der Absatzmärkte verkürzt – eine – in der Corona-Krise schmerzliche – Ausnahme: die Pharmaindustrie, die die Produktion wichtiger Medikamente nach Indien und China verlagert hat.

Der Markt regelt das nicht

Die Überschrift sagt alles: Jule Govrin glaubt nicht den Markt. Sie befürchtet im Gegenteil einen "Krisen-Kapitalismus", in dem Politik und Wirtschaft den Schockzustand über die Effekte der Epidemie ausnutzen könnten, um noch radikalere Privatisierungsmaßnahmen durchzusetzen. Dies könnte zu einer Umverteilung führen, wie es bisher bei jeder Krise der Fall war – wohlgemerkt einer Umverteilung von unten nach oben.
Sie fordert „Solidaritätspolitiken, deren erstes Handlungsmotiv die Gesundheit der Gesellschaft und nicht die Gesundheit der Wirtschaft verfolgt. Die Alternative zur unbedingten Marktfreiheit besteht in der Besinnung auf das globale Gemeinwohl.“

Chance für einen neuen Sozialismus

Oliver Nachtwey sieht in der Vollbremsung des Kapitalismus eine „Chance für einen neuen Sozialismus“. Die Vollbremsung des Kapitalismus konzentriert sich aber nur auf bestimmte Branchen und Berufe. Viele Beschäftigte werden nach Hause geschickt, aber die Sektoren Gesundheit, Pflege, Logistik und Einzelhandel sind unverzichtbar für die tägliche Erhaltung der Gesellschaft. Auch mit einem weiteren Punkt trifft Nachtwey einen wunden Punkt - be m Gesundheitssektor. Jetzt wird deutlich, dass die Ausrichtung am Markt im Gesundheitswesen Teil des Problems ist. Es gibt zu wenig Personal, zu wenig Ausrüstung, zu geringe Notfallkapazitäten. Die Pharmaunternehmen haben aufgehört zum SARS (und nebenbei auch zu Antibiotika) zu forschen, da die erwartete Marge zu gering ausfällt. Nicht mehr folgen kann ich ihm bei der Schlussfolgerung: „Ein Infrastruktursozialismus könnte für diese Aufgabe aber ebenfalls nützlich sein.“