Mittwoch, 29. April 2020

Die schlechten Seiten der Globalisierung oder der Traum von einem neuen Sozialismus

Schon vor der Corona-Krise war die Globalisierung in der Kritik. Jetzt sehen viele die Chance oder die Notwendigkeit gekommen, um das ganze System in Frage zu stellen. In dieser Presseschau stelle ich drei Artikel vor.

Kehrt sich die Globalisierung auf?

Der SPIEGEL zeigt auf, dass sich bereits vor der Corona-Krise der Welthandel nicht mehr angestiegen ist. Die Politik wird dominiert von einem protektionistischen US-Präsident, China, das zwar nach außen den Freihandel hochhält, aber sich nach innen abschottet und Zweifel in vielen Staaten der Welt. Auch die Wirtschaft hat Lieferketten durch die Produktion in der Nähe der Absatzmärkte verkürzt – eine – in der Corona-Krise schmerzliche – Ausnahme: die Pharmaindustrie, die die Produktion wichtiger Medikamente nach Indien und China verlagert hat.

Der Markt regelt das nicht

Die Überschrift sagt alles: Jule Govrin glaubt nicht den Markt. Sie befürchtet im Gegenteil einen "Krisen-Kapitalismus", in dem Politik und Wirtschaft den Schockzustand über die Effekte der Epidemie ausnutzen könnten, um noch radikalere Privatisierungsmaßnahmen durchzusetzen. Dies könnte zu einer Umverteilung führen, wie es bisher bei jeder Krise der Fall war – wohlgemerkt einer Umverteilung von unten nach oben.
Sie fordert „Solidaritätspolitiken, deren erstes Handlungsmotiv die Gesundheit der Gesellschaft und nicht die Gesundheit der Wirtschaft verfolgt. Die Alternative zur unbedingten Marktfreiheit besteht in der Besinnung auf das globale Gemeinwohl.“

Chance für einen neuen Sozialismus

Oliver Nachtwey sieht in der Vollbremsung des Kapitalismus eine „Chance für einen neuen Sozialismus“. Die Vollbremsung des Kapitalismus konzentriert sich aber nur auf bestimmte Branchen und Berufe. Viele Beschäftigte werden nach Hause geschickt, aber die Sektoren Gesundheit, Pflege, Logistik und Einzelhandel sind unverzichtbar für die tägliche Erhaltung der Gesellschaft. Auch mit einem weiteren Punkt trifft Nachtwey einen wunden Punkt - be m Gesundheitssektor. Jetzt wird deutlich, dass die Ausrichtung am Markt im Gesundheitswesen Teil des Problems ist. Es gibt zu wenig Personal, zu wenig Ausrüstung, zu geringe Notfallkapazitäten. Die Pharmaunternehmen haben aufgehört zum SARS (und nebenbei auch zu Antibiotika) zu forschen, da die erwartete Marge zu gering ausfällt. Nicht mehr folgen kann ich ihm bei der Schlussfolgerung: „Ein Infrastruktursozialismus könnte für diese Aufgabe aber ebenfalls nützlich sein.“

Montag, 27. April 2020

Mit Milliarden gegen die Krise oder "Wer soll das bezahlen?"

In meinem Beitrag zum Ende der Schuldenregeln hatte ich die Regeln über das Schuldenmachen vorgestellt. Davon ist jetzt nichts mehr zu spüren. Auf allen Ebenen werden Rettungspakete geschnürt, die in die Billionen gehen – und die meisten sind sich einig.

Rettungsmaßnahmen des Bundes

Allein bei den Zahlen des Bundes wird einem ganz schwindelig. Durch den Nachtragshaushalt steigen die Ausgaben von ursprünglich vorgesehenen 362 auf 484 Mrd. Da mit Einnahmeverlusten gerechnet wird, muss der Bund 156 Mrd. neue Schulen aufnehmen – nach jahrelangen schwarzen Nullen.
Das ganze Rettungspaket kann deutlich größer werden – bis zu 1,2 Billion. Das entspricht einem Drittel des BIP und dem Tausendfachen der Ausgaben für die Grundrente, um die immer noch heftig gestritten wird. Nur etwa der 15 % sind dabei direkte Ausgaben, der Großteil sind für Kredite und Garantieren vorgesehen. 

Schuldenmachen historisch günstig

Besonders für Deutschland ist das Schuldenmachen historisch günstig. Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen lagen im März bei -0,52 %. Deutschland muss weniger zurückzahlen als das was es an Krediten heute aufnimmt. Eigentlich absurd, aber damit zu erklären, dass deutsche Staatsanleihen als sichere Anlage heiß begehrt sind. Deutschlands Schuldenstand wird steigen, mit rund 75 % des BIP aber unter dem Level von 2009 nach der Finanzkrise bleiben.

Rettungspakete der EU

Auch auf der europäischen Ebene wurde eine vorläufige Lösung gefunden. Anstelle der umstrittenen Corona-Bonds soll die Finanzierung über den Haushalt erfolgen. Dies ist konsequent, weil sie dort inklusive parlamentarischer Kontrolle auch hingehört. Zudem steht ohnehin die Entscheidung des mehrjährigen Finanzrahmens an. Nachdem im Februar ein Gipfel an der Debatte gescheitert ist, ob jeder Staat 1,0 oder 1,1 % des Bruttoinlandsprodukts gescheitert ist, soll die Kommission nun einen Vorschlag vorlegen. Erstmals soll es der Kommission ermöglicht werden, Schulden aufzunehmen.

Hoffnung auf Solidarität und Investitionen

Mit diesem Kompromiss wird hoffentlich der erbittert geführte Streit um die Corona-Bonds beendet. Außerdem besteht die Hoffnung, dass beim Wiederaufbau neben den grünen Zielen – die EU als erster klimaneutraler Kontinent - auch weiße Ziele erreicht werden. Unter dem Motto White Deal hatte Kommissionspräsidentin von der Leyen Maßnahmen angekündigt, um besser auf medizinische Krisenlagen vorbereitet zu sein.

Weitere Informationen

SPIEGEL: Warum der Staat plötzlich so viel Geld ausgibt
Süddeutsche Zeitung: Kann Deutschland jetzt massiv Schulden machen
FOCUS: Der weiße Deal
Deutsche Welle: Rettungspaket der EU  

Samstag, 25. April 2020

Die Globalisierung hat auch gute Seiten

Durch die Corona-Krise ist auch die Globalisierung wieder ins Gerede kommen. Mit den vielen Kritikpunkten, die es schon vorher gab, werde ich mich in einem weiteren Eintrag auseinandersetzen – heute geht es um die guten Seiten.

Internationaler Handel kann gut sein

Internationaler Handel ist wichtig – gerade für ein exportorientiertes Land wie Deutschland. Neben den wirtschaftlichen Vorteilen kann man die sogenannten nicht-wirtschaftlichen Vorteile nicht hoch genug einschätzen, salopp übersetzt: Wer Handel miteinander triebt, schlägt sich nicht die Köpfe ein.
Es ist kein Zufall, dass die Annäherung der Europäer*innen nach dem zweiten Weltkrieg über den Handel lief. Auch bei der Bestrafung oder Belohnung von Ländern kommen zuerst wirtschaftliche Maßnahmen ins Spiel: durch Sanktionen oder die Aufnahme von Wirtschaftsbeziehungen als "Belohnung". 

Globalisierung lässt sich nicht zurückdrehen

Niklas Piper zeigt in der Süddeutschen Zeitung, dass sich die Globalisierung auch nicht so einfach zurückdrehen lässt.

Er verweist darauf, dass internationale Arbeitsteilung wichtig ist, gerade bei der Bekämpfung der aktuellen Pandemie. Auch in anderen Bereichen kann man die Produktion nicht einfach zurückholen, gerade für deutsche Unternehmen ist das auch nicht sinnvoll: "Viele Produkte deutscher Maschinenbauer sind so spezialisiert, dass es für sie nur einen Weltmarkt oder aber gar keinen Markt gibt."

Eine andere Form der Globalisierung

Viele Autoren fordern eine andere Art der Globalisierung. Gut gefällt mir die Idee von Bernd Ulrich: Weniger Austausch von Waren, aber ideelle Globalisierung, also Austausch von Wissen und Werten. Ähnlich argumentiert der Philosoph Slavoj Žižek: Europa muss vereint sein! Nicht einfach durch offene Grenzen, sondern in wirtschaftlichen Fragen einig, in der Landwirtschaft und so weiter. Wir müssen unsere Aktivitäten mehr denn je koordinieren!"

Hier sehen Sie den Beitrag aus der ARD-Sendung Titel – Thesen -Temperamente, bei dem neben den beiden genannten Autoren noch weitere Aspekte aufgezeigt werden. Den Bericht finden Sie auf der Homepage von Titel, Thesen, Temperamente

Donnerstag, 23. April 2020

Populisten als Verlierer der Corona-Krise?

Einige Kommentatoren sehen in den Populisten die Verlierer der Krise.

Entzaubert die Krise die Populisten?

Joachim Käppner schreibt in der Süddeutschen Zeitung: Die Corona-Krise entzaubert die Populisten.
In der Not zeigt sich, wie weltfremd die Trumps, Johnsons und Bolsonaros denken und handeln - und was der Rechtsstaat wert ist. Doch damit diese später nicht wieder triumphieren, müssen die Demokraten etwas tun.

Ähnlich argumentiert Jan Ross der ZEIT in seinem Artikel Virus der Vernunft: "Dies ist nicht der Augenblick, in dem man von einem schwadronierenden Entertainer regiert werden möchte, der nachts im Weißen Haus vor dem Fernseher hängt und in manischem Eifer Tweets absetzt." 

Populismus tötet

Markus Feldenkirchen geht in seiner Kolumne Populismus tötet hart mit einigen Populisten ins Gericht: Brasiliens Präsident Bolsonaro, Boris Johnson und Donald Trump. Der größte Versager ist für ihn die Lega von Matteo Salvini, die als Regierungspartei in der Region Lombardei für viele Tote verantwortlich ist. Etwas polemisch warnt er potentielle Wähler: "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihren Arzt oder Bestatter."

Die AfD ist mit sich selbst beschäftigt 

Auch in Deutschland hat die AfD keine plausible Strategie und ist mehr mit sich selbst beschäftigt. Einige scheinen die Bedeutung des Virus ähnlich wie den Klimawandel leugnen, anderer fordern noch härterer Maßnahmen fordern soll. Manche Forderungen – so z.B. die Einreise von rumänischen Erntehelfern – fand ich im Blick anhand früherer Positionen sind fast schon wieder lustig.

Rechte Verlierer, rechte Gewinner

Dennoch sollten sich die Gegner rechter Parteien nicht zu früh freuen. Neben rechten Verlierer gibt es auch rechte Gewinner, so die Regierungen von Ungarn und Polen, die vom Trend zu den Regierungen profitieren, wie Severin Wieland im SPIEGEL deutlich macht. 

Populisten nicht unterschätzen

Trotz eines absurden Krisenmanagements sind die Wahlchancen von Donald Trump nicht schlecht.
Elend und Massenarbeitslosigkeit wären ein idealer Nährboden für die Verheißungen des Rechtspopulismus. Die Welt der Demokratien sollte diesen Gegner nicht noch einmal unterschätzen.

Dienstag, 21. April 2020

Über das Schuldenmachen und das Ende der EU

In einem Beitrag in meinem Blog Europa in der Krise habe ich bereits über die Crash-Propheten berichtet. Darunter war auch ein Streitgespräch zwischen Marc Friedrich und Peter Bofinger. Nun haben sich die beiden erneut zu einem Gespräch getroffen.

Sind Schulden das Problem oder die Lösung der Krise?

Bestsellerautor Marc Friedrich hat einen massiven Crash prophezeit und sieht sich durch die Pandemie bestätigt - Peter Bofinger widerspricht energisch. Immerhin waren sich die beiden einig, dass sich die jetzige Krise deutlich von der Finanzkrise unterscheidet, da praktisch die ganze Wirtschaft betroffen ist, inkl. vieler Firmen, die gut funktioniert haben und keine Finanzierungsprobleme hatten.
Das war es dann mit der Einigkeit – während für Bofinger die Aufnahme neuer Schulden die einzige Möglichkeit ist, um aus dem Schlamassel herauszukommen, sind sie für Friedrich die Ursache aller Probleme.

Die Auflösung der EU?

Ich verfüge nicht über das Selbstbewusstsein der beiden Herren, die ihre Argumente ohne den Hauch eines Zweifels äußern. Deswegen möchte ich hier nur auf einen Lösungsansatz eingehen, den ich für völlig absurd halte: Friedrichs Forderung nach Abschaffung der „EU, EZB, all das, was zentralistisch und planwirtschaftlich fern der Menschen ist.“ Nach dem Brexit-Debakel haben viele rechte europäische Parteien die Forderung nach einem Austritt gestrichen – und Friedrich fordert genau das!

Viele wirtschaftliche, historische und politische Gründe für die EU

Es gibt viele Gründe gegen Friedrichs Argumentation. Zurecht bezweifelt Bofinger, dass sich europäische Staaten international behaupten können. Gewagt finde ich auch, in dieser Zeit, in der wirklich alle nach dem Staat rufen, auf die Heilkräfte des Markts zu hoffen. Der wichtigste Grund bleibt aber politisch: Die Europäische Integration und die Zusammenarbeit hat uns mehr als 70 Jahre Friede gebracht – das dürfen wir nicht gefährden.

Sonntag, 19. April 2020

Kann die Welt nach der Krise eine bessere sein?

Der Bundespräsident und viele andere Kommentatoren haben sich Gedanken über den Zustand der Welt nach der Krise gemacht. Einige dieser Ideen möchte ich hier vorstellen.

Wir alleine entscheiden

Die Rede von Bundespräsident Steinmeier habe ich bereits in einem Beitrag gewürdigt, auf einen Aspekt möchte ich hier aber nochmals eingehen:
Wir werden nach dieser Krise eine andere Gesellschaft sein. Wir können eine Gesellschaft sein mit mehr Vertrauen, mit mehr Rücksicht und mit mehr Zuversicht. Ist das, selbst an Ostern, zu viel der guten Hoffnung? Über diese Frage hat das Virus keine Macht. Darüber entscheiden allein wir selbst.

Besonders den letzten Satz finde ich sehr wichtig: Wir entscheiden! Aber natürlich sind wir auch von vielen Bedingungen beeinflusst.

Solidarität verändert keine Strukturen

Für den Soziologe Wilhelm Heitmeyer steht den Veränderungen der kapitalistische Staat im Wege.
In einem Interview im Deutschlandfunk hält er die gegenwärtigen Solidaritätsbekunden für Gesellschaftsromantik.
„Der Finanzkapitalismus hat kein besonderes Interesse an gesellschaftlicher Integration, es geht um Nützlichkeit, Verwertbarkeit, Effizienz. Es ist naiv zu glauben, dass daran sich nun weitreichende Neuentwicklungen der gesamten Gesellschaft festmachen lassen."
Tatsächlich gibt es neben den positiven Aspekten mehr als genug negative, viele sprechen von einer Pandemie des Hasses.

Warum unsere Welt nach der Krise eine bessere sein könnte

Optimistischer ist Ullrich Fichtner, der in einem SPIEGEL Essay davon ausgeht, dass die Welt nach der Krise besser sein könnte

Er beschreibt die vielfältigen Probleme, die es bereits vor der Krise gab. „Man könnte auf die Idee kommen, dass es besser wäre, ganz neu anzufangen, statt den Versuch zu machen, das zerbrochene Alter noch einmal zu reparieren…. Covid-19 wird die Welt verändern, weil sie bereits vor dem Auftauchen der Krankheit mitten in tiefgreifenden Veränderungen steckte.“

Fichtner verweist darauf, dass auch in der Vergangenheit Katastrophen Wendepunkte waren. So nennt er die Hoffnung, dass die vielen Milliarden für den Umstieg in eine nachhaltiges Wirtschaftssystem genutzt wird. Die Prioritäten werden sich verändern: Die Sorge um die Gesundheit wird zu einem dominanten Element der Gegenwart. 

Die Korrektur kann nun beginnen

Fichtner zitiert den Bundespräsidenten, der in seiner Rede deutlich gemacht hat, dass wir zu lange geglaubt haben, dass wir unverwundbar sind und es immer nur schneller, höher, weiter geht. Er hofft, dass die Korrektur nun beginnen kann: "Es wird wohltuend sein, falsche Entwicklungen, die sich immer weiterschleppten, fürs Erste zu stoppen. Es wird faszinierend sein zu bezeugen, wie sich ein neues Paradigma entfaltet, wie alte Ideen ableben und neue an Gestaltungskraft gewinnen."

Freitag, 17. April 2020

Der Föderalismus funktioniert!?

Während ich meinen Beitrag die Leistungsfähigkeit der Demokratie mit großer Überzeugung vertrete, bin ich mir bei der Verteidigung des Föderalismus nicht so sicher. Schon in Vor-Corona-Zeiten gab es Kritik, nicht zuletzt an der Unübersichtlichkeit des Bildungssystems.
Dieser Eindruck hat sich zumindest am Anfang der Corona-Krise verstärkt mit einem Wettkampf, wer den härtesten Corona-Bekämpfer gibt. Trotz des Bemühens einigermaßen einheitlich aufzutreten, ist ein Flickenteppich entstanden, die die Bürger*innen nur schwer durchschauen können.
Dennoch gibt es gute Gründe für föderale System - auch oder gerade in der Krise. 

Schwarmintelligenz föderaler Systeme

Stefan Kornelius vergleicht in seinem Artikel Virus im System die Leistungsfähigkeit zentralistischer und föderaler Systeme. Zentralistische Systeme „warten auf das eine Signal von der Spitze. Hingegen garantiert die Schwarmintelligenz föderaler Strukturen bessere Ergebnisse, auch wenn der Entscheidungsprozess von außen chaotisch anmutet.“ Natürlich gilt auch das Argumente, die ich schon zur Verteidigung der Demokratie zitiert habe: schnelle Entscheidungen können falsch sein und einer kann für alle falsch entscheiden.

Entscheidungen auf unterer Ebenen

Was ich wieder mit voller Überzeugung vertreten kann, ist die Subsidiarität. Dies beschreibt das Prinzip, dass politische Kompetenzen möglichst auf der unteren Ebene sein sollten. Auf der lokalen Ebene wissen die Menschen am besten, wo die Probleme liegen. Übertragen auf die Corona-Krise war und ist die Entwicklung sehr unterschiedlich: in Heinsberg sind andere Maßnahmen nötig als in einem Gebiet, das kaum betroffen ist. Obwohl wir mittlerweile 14 (!) unterschiedliche Regierungskoalitionen in den Ländern haben, sind sich die Regierungen zumindest im Prinzip einig.

Gute Gründe für Föderalismus

Darüber hinaus gibt es auch gute historische Gründe für den Föderalismus: Neben den negativen Erfahrungen mit dem Zentralstaat in der Nazi-Zeit sind dies auch positive Erfahrungen mit den Regionen: sie sind die Quelle regionalen Selbstbewusstseins und der Identifikation.

Mittwoch, 15. April 2020

Europäische Solidarität – mit oder ohne Corona-Bonds?

Nach langer Diskussion haben sich die EU-Finanzminister auf ein umfangreiches Rettungspaket geeinigt.Es hat einen Umfang von 500 Mrd. Euro und besteht aus drei Bestandteilen:
  • Die Europäische Investitionsbank wird durch Bürgschaften bis zu 200 Milliarden Euro an zusätzlichen Krediten für Mittelständler ermöglichen.
  • Die EU-Kommission will zudem die Kurzarbeitergeld-Systeme der Staaten mit bis zu 100 Milliarden Euro unterstützen.
  • Der Euro-Rettungsschirm ESM soll Staaten mit der Gemeinschaftswährung vorsorgliche Kreditlinien zur Verfügung stellen.

(Noch) nicht dabei: Corona-Bonds

Fast interessanter ist aber das Element, das nicht in diesem Kompromiss dabei ist – die Corona-Bonds. Von Italien, Spanien und Frankreich gefordert, von Deutschland und den Niederlanden ebenso vehement abgelehnt. 

Corona-Bonds sind keine Euro-Bonds

Die Idee ist, dass die Mitgliedstaaten gemeinsam Kredite aufnehmen – wie sie es übrigens schon etliche Mal gemacht haben. Da Deutschland aufgrund seiner guten Bonität im Moment fast nichts für Kredite zahlen muss, die betroffenen Länder aber deutlich mehr, wären die Krediten für Spanien, Italien und andere billiger – und für Deutschland eben teurer.
Anders als bei den während der Finanzkrise diskutierten Euro-Bonds ginge es diesem Fall um eine klar definierte Aufgabe der Zukunft – den Wiederaufbau der Länder.

Unterstützung von ungewohnter Seite

Die Corona-Bons sollen kein Dauerinstrument werden. Das betont auch der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Er gehört eher überraschend zu den Befürwortern, da sich nur so „europäische Solidarität“ organisieren lässt. Den Europäischen Stabilisierungsmechanismen lehnt Hüther ab. Er ist aus der Finanzkrise entstanden und soll Banken stabilisieren. Er ist stigmatisierend und erhöht die Schulden weiter.



Corona-Bonds als Symbol - und Grund alte Vorurteile zu pflegen

Die Debatte ist auch sehr symbolisch, werden doch alte Vorurteile zwischen arroganten Nordeuropäern und faulen Südeuropäern neu belebt werden. Besonders bedauerlich finde ich, dass die Gemäßigten auf beiden Seiten auf ihren Positionen beharren zu müssen, damit sie nicht von Rechten (konkret: AfD in Deutschland, Lega in Italien) bedrängt werden.

Europäische Solidarität ist gefordert

Der Bundespräsident hat es in seiner Rede deutlich gemacht: Europäische Solidarität ist in unserem ureigensten Interesse. Noch pathetischer drücken es verschiedene Intellektuelle, Künstler, Politiker und Ökonomen aus: „Europa kann nur weiterleben, wenn die Europäer jetzt füreinander einstehen“.

Weitere Informationen

Die verschiedenen Modelle werden in der ZEIT erklärt: Corona-Bonds, ESM oder doch lieber EZB?
Zum Hilfspaket: Süddeutsche Zeitung: Hilfspaket der EU
SPIEGEL: Was sind Corona-Bonds?
Die Tagesschau: Corona-Bonds sind kein Dauerinstrument
Aufruf in der ZEIT Europa kann nur weiterleben, wenn die Europäer füreinander einstehen

Montag, 13. April 2020

Eine Prüfung für die Menschlichkeit

Nachdem ich bereits die Rede der Bundeskanzlerin gelobt habe, möchte ich dies nun auch beim Bundespräsidenten tun. Ähnlich wie Merkel verzichtet Steinmeier auf unpassenden Vergleiche mit einem Krieg, sondern benennt das Problem sehr klar. "Die Pandemie ist kein Krieg - sie ist eine Prüfung unserer Menschlichkeit."

Zu europäischer Solidarität verpflichtet

Gut gefallen hat mir auch der Abschnitt zu Europa. Es ist schlicht und ergreifend notwendig: Deutschland kann nur stark und gesund aus der Situation hervorgehen, wenn es auch den Nachbarn gut geht. Auch weltweit wünscht sich Steinmeier eine bessere Zusammenarbeit bei der Forschung nach Impfstoff und „eine globale Allianz, zu der auch die ärmsten Länder Zugang haben“.

Es kann eine bessere Gesellschaft werden – wenn wir es wollen

Wie viele andere Beobachter/innen vor ihm, betont der Bundespräsident, dass die Krise das Schlechteste und das Beste aus den Menschen hervorlocke. Er warnt davor, dass sich aus der Krise eine Ellenbogengesellschaft entwickeln könnte und lobt „die explodierende Kreativität und Hilfsbereitschaft“ der letzten Tage. Ob das so bleibt, liegt laut Steinmeier an uns. „Über diese Frage hat das Virus keine Macht, darüber entscheiden alleine wir“.

Die Rede des Bundespräsidenten

Den Wortlaut der Rede finden Sie auf der Homepage des Bundespräsidenten und hier im Video: 


Samstag, 11. April 2020

Unser Gesundheitssystem - die Finanzierung

Nachdem es im ersten Teil um die Grundlagen ging, folgen hier einige Anmerkungen zur Finanzierung.

Es wird viel Geld ausgegeben

Das Gesundheitssystem wird nicht kaputtgespart, im Gegenteil sind die Ausgaben in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Nach der USA und der Schweiz geben wir pro Kopf weltweit am meisten Geld aus. Die USA und teilweise auch Deutschland zeigen, dass das Geld nicht unbedingt das einzige Kriterium für ein leistungsfähiges Gesundheitssystem ist.

Fallpauschalen als Ursache für viele Probleme

Viele Beobachter*innen sehen in der Einführung von Fallpauschalen eine Ursache für die aktuelle Probleme. Dies ist auch nicht von der Hand zu weisen: Hohe Preise für vermeintlich lukrative Operationen haben dazu geführt, dass eher künstliche Hüftgelenke eingesetzt werden und selbst an Schwerkranken noch Operationen vorgenommen werden, damit die Kasse stimmt.

Einfach zurück geht nicht

Man sollte aber das Finanzierungssystem der Vergangenheit nicht idealisieren. In der Zeit vor den Fallpauschalen wurden Krankenhäuser für belegte Betten bezahlt. Während wir jetzt „blutige Entlassungen“ haben (das heißt wirklich so), gab es damals den finanziellen Anreiz, Menschen lieber ein Tag länger im Krankenhaus zu belassen, wenn das Bett nicht neu belegt werden konntee.

Gesundheit ist kein Produkt wie viele anderen

Die Forderung nach effizientem Arbeiten auch im Gesundheitssektor ist durchaus gerechtfertigt. Effizient arbeiten bedeutet, ein Ziel oder Ergebnis mit einem möglichst geringen Einsatz zu erreichen. Die Frage ist aber, ob die Methoden der letzten Jahre hilfreich waren, denn Gesundheit ist (zum Glück) kein Wirtschaftsgut wie jedes andere. Es ist möglich immer schneller immer bessere Autos bauen, bei der Pflege eines Menschen ist dies (zum Glück) nicht möglich. Hier brauchen wir dringend ein Umdenken.

Wir müssen (noch) mehr Geld ausgeben

Die Corona-Krise wird hoffentlich bald vorbei sein, die Probleme des Gesundheitssystem bleiben. Die Pfleger*innen werden sich zurecht nicht mit dem Applaus zufriedengeben und mehr Geld fordern. Werden wir bereits sein, durch höhere Steuern und Abgaben diesen Wunsch zu erfüllen?

Donnerstag, 9. April 2020

Es ist höchste Zeit, Ungarn und Polen zu stoppen

Im Blogeintrag Ungarn, Polen (und andere) auf Abwegen habe ich bereits meinen Frust zum Ausdruck gebracht - über Ungarn, Polen und die Reaktion der EU. Was sich Orban und Kacynski – und die EU! - aber während der Corona-Krise leisten, spottet jeder Beschreibung.

Ungarn – auf dem Weg in die Diktatur

In Ungarn ist das Parlament vorerst geschlossen. Die Notstandsgesetzgebung gilt bis auf Widerruf – durch das Parlament, das nicht mehr tagt. Nebenbei wird auch noch die Meinungsfreiheit bedroht durch ein Gesetz, das die Verbreitung falscher Nachricht unter Strafe stellt.

Abenteuerliche Veränderungen des Wahlrechts in Polen

Die Opposition kritisiert zurecht, dass die Präsidentschaftswahlen immer noch nicht abgesagt wurden. Während der Präsident durchs Land zieht (und dies von den mittlerweile auf Linie gebrachten Medien gefeiert wird), haben die anderen Kandidaten keine Chance.
Dann die Ideen zur Verdrehung des Wahlrechts. Um sie angeblich zu schützen, sollte das Recht auf Briefwahl nur für über 60jährige eingeführt werden – wohlwissend, dass diese treue Wähler/innen der PIS sind. Neuerster Clou: Die Amtszeit des Präsidenten soll verlängert werden, die Wahl damit gleich um zwei Jahre verschoben werden.

Die Reaktionen der EU – feige und ausweichend

Die Kommissionspräsidentin von der Leyen hat einen Tweet einige Punkte erwähnt, die eigentlich selbstverständlich sein sollten:
Notfallmaßnahmen dürfen nicht grundlegende Prinzipien verletzen, freie Medien sind wichtig, Rechtssicherheit und Meinungsfreiheit. Erstaunlicher ist, was sie nicht erwähnt hat: Um wen es geht, nämlich hanebüchene Gesetze von Polen und Ungarn, die diktatorische Tendenzen haben und – das ist der Gipfel – keine konkreten Gegenmaßnahmen. Kein Wunder, dass sich die Herrschenden in Polen und Ungarn ins Fäustchen lachen.
Matthias Kolb bekommt es in einem Kommentar in der Süddeutschen über von der Leyen auf den Punkt: "Corona-Krise hin oder her: Sie darf sich nicht wegducken, wenn der Kern der EU bedroht ist, nämlich Rechtsstaat, demokratische Kontrolle und Medienfreiheit."

Entschlossenes Handeln

Der ungarische Politologe Daniel Hegedüs fordert im SPIEGEL (nur im Abo)
ein entschlossenes Handeln:
  • Die EU muss endlich verurteilen, dass EU-Grundwerte schwerwiegend verletzt werden.
  • Die Europäische Volkspartei muss die Orban-Partei Fidesz rausschmeißen
  • Die EU muss finanziellen Druck aufbauen
  • Durch Diplomatie und rechtliche Schritte müssen die Verstöße geahndet werden.

Am Ende macht Orbán, was er will, und kommt damit durch

Ähnlich wie viele Kommentator*innen bin ich skeptisch: Bis jetzt ist Orban immer durchgekommen und es spricht einiges dafür, dass er es wieder schafft. Verräterisch auch der Verweis auf das Totschlagargument „Es gibt Wichtigeres“, das von der Leyen und Kramp-Karrenbauer genutzt haben.
„Der Ungar darf zuhause über die Stränge schlagen, solange der in Brüssel halbwegs kooperativ bleibt“ so Krupas Fazit in der ZEIT. "  Es ist Zeit dies zu ändern, "sonst fällt dem Kampf gegen die Pandemie am Ende noch Europas Demokratie zum Opfer." wie es Stephan Israel im Tagesanzeiger befürchtet. 


Dienstag, 7. April 2020

Auf einmal ist der Staat gefragt

Es ist schon erstaunlich, wer jetzt alles nach dem Staat ruft.Neoliberale Wirtschaftswissenschaftler*innen die jahrelang predigten, dass der Staat alles schlecht macht und der Markt alles richtig. Unternehmen und Politiker*innen, die immer wieder Steuersenkungen forderten und das erstaunlicherweise immer noch machen. 
Zugegeben wenn man die Preisentwicklung für Schutzmasken verfolgt, muss man zugeben, dass der Markt funktioniert.

Jetzt rufen alle nach dem Staat 

Das war etwas polemisch und so ist auch der Kommentar. Jetzt rufen alle nach dem Staat Zacharias Zacharakis in der ZEIT. Einige Punkte möchte ich hier herausgreifen:

Es schreien die am lautesten, die sich am meisten aufregen

Es sind genau jene, die sich sonst so sehr über die vermeintlich hohen Abgaben aufregen, die jetzt am lautesten nach staatlicher Hilfe rufen und diese am allermeisten benötigen: die Selbständigen und die Unternehmerinnen und Unternehmer.

Das Kurzarbeitergeld hat in der Finanzkrise geholfen

Dass sich Deutschland so schnell erholt hat, liegt auch an den 5 Milliarden Euro Kurzarbeitergeld, das 1,4 Millionen Beschäftigte erhielten.

Sparsamkeit führt zu einem Investitionsstau – und der Möglichkeiten jetzt zu helfen

Die Sparsamkeit der vergangenen Jahre hat die Haushalte von Bund und Ländern saniert – zum Teil zu einem hohen Preis, weil viele dringende Investitionen liegen geblieben sind. Aber sie führt jetzt auch dazu, dass der Staat die Bazooka auspacken und umfangreich helfen kann.

Sind wir bereit, höhere Steuern und Abgaben zu zahlen?

Es bleibt zu hoffen, dass am Ende der Krise sich alle an die Leistungen und Hoffnungen an den Staat erinnern und dann bereit sind, entsprechend auch Steuern und Abgaben zu zahlen. Zweifel sind angebracht.

Sonntag, 5. April 2020

Grundrechte sind kein Luxusartikel unserer Verfassung - auch nicht in Krisenzeiten

Keine Blankovollmacht fürs Durchregieren

Georg Restle, der Redakteur von Monitor, hat es aus meiner Sicht auf den Punkt gebracht:
 „Die Corona-Krise ist keine Blankovollmacht fürs Durchregieren und Grundrechte sind kein Luxusartikel unserer Verfassung – auch nicht in Krisenzeiten.“ Seinen ganzen Kommentar sehen Sie auf der Seite von Monitor.

Viele Grundrechte außer Kraft

Die Seite Freiheitsrechte.org beschreibt, welche Grundrechte durch das Infektionsschutzgesetz eingeschränkt sind:

  • Freiheit der Person (Art. 2) bei Quarantäne
  • Körperliche Unversehrtheit (Art. 2) bei ärztlichen Untersuchungen en
  • Die Versammlungsfreiheit (Art. 8), da Demonstrationen verboten sind
  • Brief und Postgeheimnis (Art. 10), da Mitteilungen Infizierter gelesen werden dürfen
  • Freizügigkeit (Art. 11), da wir uns nicht mehr frei bewegen können
  • Die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13), bei Besuchen des Amtsarzt
Nicht im Artikel enthalten ist die Religionsfreiheit (Art. 4), die durch die Schließung der Kirchen zumindest teilweise außer Kraft ist.

Verhältnismäßigkeit muss gewährt sein

Der Staat darf auch in der aktuellen Ausnahmesituation nur in unsere Grundrechte eingreifen, wenn dies verhältnismäßig ist.
Rene Schlott beschreibt in seinem lesenswerten Beitrag Rendezvous mit dem Polizeistaat einige Beispiele, die an dieser Verhältnismäßigkeit zweifeln lassen.

  • Warum ist das Lesen eines Buches auf der Parkbank verboten (auf dem Fahrrad wäre es erlaubt) 
  • Warum müssen in Bayern Bürger/innen, die sich zu zweit im öffentlichen Raum bewegen, Auskunft über das Verhältnis zu ihrer Begleitung geben? 

Der Ruf nach immer härteren Maßnahmen

Einigen Bürger*innen ist das noch nicht genug, sie fordern härtere Maßnahmen und spielen auch fleißig Hilfspolizist*innen. Jens Spahn, der sich selbst umfassende Macht gegeben hat bzw. geben wollte (siehe Vollmacht für den starken Mann) zeigt sich im Interview in der ZEIT überrascht über die Geister, die er rief: "Mich irritiert der dezidierte Ruf mancher nach immer härteren Maßnahmen."

Fazit

Damit keine Missverständnisse aufkommen: ich halte mich an alle Regeln und unterstütze diese auch. Wenn ich mich aber im öffentlichen Raum mit einer Person unterhalte und dabei die Regeln einhalte geht es den Staat nichts an, in welchem Verhältnis ich zu dieser Person stehe:
Grundrechte sind kein Luxusartikel unserer Verfassung - auch nicht in Krisenzeiten.

Freitag, 3. April 2020

Die Demokratie funktioniert!

Wieder mal schauen viele mit Bewunderung nach China – nach dem wirtschaftlichen Erfolg jetzt auch auf die Bewältigung der Krise. Einerseits bleibt die Frage, ob China wirklich so erfolgreich ist (siehe dazu auch Matthias Naß in der ZEIT).
Andererseits ist die Demokratie durchaus leistungsfähig, wie Dirk Kurbujweit im SPIEGEL deutlich macht (leider nur im Abo)

Zu langsam und zu unentschieden in Krisenzeiten

Die Demokratie hat in Krisenzeiten Probleme. Gefragt sind Tempo, Entschiedenheit und Einheitlichkeit, das war nicht immer der Fall in den letzten Wochen. Die Krisenzeit ist auch eine Bedrohung für die offene Gesellschaft: Viele Grundrechte sind außer Kraft, unser ganzer Lebensstil ist in Frage gestellt.

Gelegenheitspolitiker und der Kantsche Imperativ

Kurbjuweit verweist auf Max Weber, der mit den Gelegenheitspolitikern einen wichtigen Begriff geprägt hat. In der Demokratie haben die Bürger*innen die Macht. Sie verteidigten nach den Terroranschlägen die Freiheit, in dem sie die Freiheit lebten, nun akzeptiert der große Teil Einschränkungen. Die wichtigste Norm kommt auch nicht aus China, sondern von Kant: Handle nur so, wie alle handeln sollten.

Der demokratische Weg durch die Krise

Die schnelle Entscheidung eines einzelnen muss nicht richtig sein, wie Kurbjuweit ausführt:
„Wer schnell entscheidet, hat ein höheres Risiko, falsch zu entscheiden. Wenn nur einer entscheidet, kann einer für alle falsch entscheiden- Das führt direkt in die Katastrophe“
Deshalb ist der demokratische Weg durch die Krise die beste: volle Transparenz, jede Maßnahme früh und genau begründen und die Opposition miteinbeziehen. Die Regierung braucht jetzt viel Macht, danach haben aber die Bürger*innen das Wort: Sie entscheiden, ob die Macht gut eingesetzt wurde.

Mittwoch, 1. April 2020

Das Ende der Schuldenregeln - die Grundlagen

Bereits vor der Corona-Krise wurde intensiv über die Schuldenregeln gestritten. Da in Debatten die verschiedenen Regeln häufig durcheinander gehen, möchte ich in diesem Blog zunächst die Unterschiede aufzeigen. Ich beziehe mich dabei auf die Beschreibung des SPIEGELS im Artikel Abkehr von der schwarzen Null.

Die Schuldenbremse

Artikel 109 im Grundgesetz legt verbindlich fest, dass die  Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auskommen müssen. Die Länder dürfen künftig keine von der Konjunktur unabhängigen Schulden mehr machen, die des Bundes werden auf 0,35 Prozent des Bruttoinlands-produkts begrenzt.
Für den Bund gilt diese Regelung seit 2016 und hat sie bisher eingehalten, für die Länder ab 2020.

Die Maastricht-Kriterien

Die Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrags sind im EU-Recht verankert und besagen, dass die Neuverschuldung der Euro-Saaten maximal 3, die Gesamtverschuldung maximal 60 % des Bruttoin-landsprodukts betragen dürfen. Diese Regeln wurden schon oft verletzt – auch von Deutschland. Seit kurzem erfüllt Deutschland das Kriterium der Gesamtverschuldung (ca. 2 Billionen), bei der Neuverschuldung gäbe es einen Spielraum von 102 Milliarden.

Fiskalpakt

Der 2013 geschlossene Fiskalpakt hat diese Regeln verschärft, denn nun soll die Verschuldung bei maximal 0,5 % des BIP liegen. Diese Regeln sollen in der Verfassung verankert werden. Für Deutschland bedeutet dies ca. 17 Milliarden, ein Wert den Deutschland bisher einhält.

Die Schwarze Null

Die schwarze Null steht (nur) im Koalitionsvertrag. Das Ziel, dass staatliche Einnahmen und Ausgaben gleich hoch sind ist gesetzlich nicht vorgesehen. 2014 hat Deutschland dieses Ziel erstmals nach 45 Jahren erreicht und bis einschließlich 2019 erreicht.

Die Schuldenregeln wackelten schon vorher

David Böcking geht in dem Artikel darauf ein, warum die Schuldenregeln schon vorher wackelten. Selbst frühere Befürworter äußerten Zweifel, sogar der Bundesverband der Deutschen Industrie und das Institut der Deutschen Wirtschaft.
Er nennt dafür vier Erklärungen:
  • Die Schuldenregeln haben die wichtigste Funktion erfüllt: Deutschland hat sich nicht verschuldet, sondern eine exzellente Bonität
  • Die Folgen des Sparkurses werden sichtbar: Die Infrastruktur ist marode, es wurde zu wenig investiert.
  • Die Regeln werden erst jetzt ernst: Deutschland konnte im Aufschwung alle Regeln einhalten, wie wird das in der Krise
  • Die Jungen haben andere Sorgen: Nicht nur Klimaaktivist*innen fragen: Warum für die Zukunft sparen, wenn wir dann keine haben?