Freitag, 25. September 2020

Bundeshaushalt 2021 – Ende der „schwarzen Null“

Nach der Rekordverschuldung 2020 von 217,8 Mrd. plant Finanzminister Scholz auch für 2021 eine deutliche Neuverschuldung – 96,2 Mrd. Euro. Erst in den folgenden Jahren soll die Verschuldung zurückgehen und wieder den Kriterien der Schuldenbremse entsprechen. Das ist dann allerdings Aufgabe der neuen Regierung.

Weniger Steuereinnahmen und höhere Investitionen

Nach 509 Mrd. in diesem Jahr  hat der Haushalt 2021 „nur“ noch ein Volumen von 413 Mrd., aber immer noch deutlich mehr als vor der Corona-Pandemie. Bei sinkenden Steuereinnahme plant die Regierung weitere Investitionen: 71 Milliarden. Neben Zuschüssen zum Sozialetat fließt Geld in die Konjunkturpakete und Maßnahmen für die Klimapolitik.

Hoffen auf ein Nach-Corona-Wirtschaftswunder

Zum Abbau der Schulden gibt es drei Mittel

  • Steuern erhöhen: Eine Idee mit der sich Linke und SPD anfreunden könnten, nicht jedoch die Union.
  • Ausgaben kürzen: Dies wird im Wahljahr nicht nur von der SPD abgelehnt.
  • Hoffen auf ein Wirtschaftswunder: Mit steigender Wirtschaftskraft steigen die Steuereinnahmen – und die Sozialausgaben sinken.

Schuldenstand steigt

Durch die Maßnahmen wird der Schuldenstand steigen – auf ca. 75 % des BIP. Er liegt damit rund 15 % höher als 2019, aber immer noch deutlich niedriger als 2010 und als alle anderen wichtigen Industriestaaten der G7.

Donnerstag, 10. September 2020

Die Renaissance des Staates – aber kein Epochenbruch

Er gilt als einer der einflussreichsten Soziologen unserer Zeit und hat sich auch zum Thema Corona-Krise geäußert – Andreas Reckwitz, Professor für Allgemeine Soziologie und Kulturwissenschaft an der Humboldt Universität. In der ZEIT sowie in Interviews in der Süddeutschen  und im Tagesspiegel sind interessante Beiträge von ihm und über ihn erschienen.

Kein Epochenbruch – aber der Staat erfindet sich neu

Reckwitz sieht den Beginn des Wandels in den 1980er Jahren: die Liberalisierung der Lebensstile, die Digitalisierung, Globalisierung und der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Der Staat hat sich zurückgezogen, Reckwitz nennt dies den Übergang zum Wettbewerbsstaat. In der Corona-Krise ist der Staat wieder gefragt – er ist als Risikomanager gefordert.

Der Renaissance des Staates als Infrastrukturstaat  

Reckwitz sieht die zukünftige Aufgabe des Staates in der Bereitstellung der Infrastruktur, grundlegender öffentlicher Güter wie Bildung, Gesundheit, Wohnen und Verkehr. Dieser Staat verbindet Elemente des Wettbewerbsstaats und dessen Vorgänger Wohlfahrtsstaat. Er bezeichnet dies als „eingebetteten Liberalismus“. 

Corona-Krise spaltet die sozialen Milieus neu

Die Corona-Krise hat „unsichtbare Tätigkeiten in der Krise schlagartig sichtbar gemacht". 75 % der Erwerbstätigen arbeiten in der Dienstleistung, dazu gehört die Wissensarbeit Hochqualifizierter ebenso wie einfache Dienstleistungen der Niedrigqualifizierten. Während sich die Mittelschicht ins Homeoffice verabschiedet hat, halten die anderen den Laden am Laufen – oder stehen wie Gastronomie vor dem Nichts.
Für den gesellschaftlichen Wandel sieht Reckwitz zwei Muster: die Erfahrung eines Kollektivbewusstseins – alle sind betroffen und sind teilweise solidarisch. Das andere betrifft die Menschen – der Chance auf Selbstentfaltung und Selbstoptimierung.

Interview mit Richard David Precht

In einem interessanten Gespräch mit Richard David Precht erläutert Andreas Reckwitz seine Positionen:


Mittwoch, 2. September 2020

Die Corona-Demonstranten - nur ein Völkchen, nicht das Volk

Natürlich sind nicht alle Corona-Demonstranten Nazis, aber es verbindet sie einiges – und das Volk sind sie auch nicht!

Nur ein Völkchen, nicht das Volk

Von Detlef Esslinger stammt ein Kommentar in der Süddeutschen Zeitung, der mir wirklich aus der Seele spricht.

In einer Demokratie hat jeder das Recht, Corona zu leugnen.

Esslinger hält es für richtig, dass die Demonstration in Berlin erlaubt wurde. Gerade weil der Berliner Innensenator seine Missliebigkeit geäußert hat, musste das Gericht so entscheiden. In einer Demokratie hat jeder das Recht, Corona zu leugnen, wie er (oder sie) will.

Eine Chance, um sich lächerlich zu machen

Was die Demonstrant*innen daraus gemacht haben steht auf einem anderen Blatt: Sie waren nicht das Volk, sondern ein Völkchen aus Regenbogen- und Reichskriegsflaggenträgern, aus Meditierenden im Schneidersitz und "Putin, Putin"-Rufern, aus Trommlern im Rasta-Look und Glatzköpfen.
Völlig unglaubwürdig ist die Distanzierung der Organisatoren um das Bündnis Querdenken – sie wussten, dass Rechtsextremisten mitmarschieren und stießen verbal fast ins selbe Horn.

Freiheit und Putin

Dass die Demonstrierenden mit Freiheit eines meiner Lieblingslieder missbraucht haben (was sagt eigentlich Westernhagen dazu?) ist eine Sache, die Rufe nach Putin in diesem Zusammenhang machen die Sache aber endgültig zu einer Farce. Esslinger dazu: Aber: Die Demonstranten vom Samstag haben alles gegeben, dass man ihnen nicht zuhören will.
 

Reichsbürger trifft Impfskeptiker

Claudia Henzler zeigt in ihrem Bericht Reichsbürger trifft Impfskeptiker, dass die Demonstranten mehr verbindet, als der angeblich gemäßigt Querdenken 711 Initiator Michael Ballweg behauptet. Henzler portraitiert die obskuren Gruppen und Akteuren wie den Radiomoderator Ken Jebsen, der vor allem in den USA populären Gruppe QAnon und den Arzt Bodo Schiffmann, der bereits in zwei Widerstandsparteien ein- und schnell wieder ausgetreten ist.

Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sind wichtig

Dennoch: Nicht alle Demonstrierenden hängen diesen Ideologien an, viele treibt echte Sorge um. Es gilt Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Wer aber nicht mit Nazis und Verschwörungstheoretikern in einen Topf geworfen will, sollte nicht mit ihnen demonstrieren.