Montag, 30. März 2020

Unser Gesundheitssystem - Grundlagen

Bereits vor der Corona-Krise gab es Kritik an unserem Gesundheitssystem und den Wunsch nach Veränderung. Durch die Corona-Krise wurden einige Schwachpunkte sehr deutlich. Die Pfleger*innen werden sich zurecht nicht damit zufriedengeben, dass sie zurzeit Beifall und Anerkennung bekommen. In einem ersten Schritt gehe ich auf die Grundlagen ein, bevor es in weiteren Beiträgen um die umstrittenen Fallpauschalen und verschiedenen Reformvorschlägen komme.

Ein emotionales und umstrittenes Thema

Es ist ein emotionales Thema, denn was ist schon wichtiger als die (eigene) Gesundheit. Das Thema beschäftigt mich seit vielen Jahren, seit sich ein Teilnehmer einer Bildungswerkstatt nach der Lektüre des Buchs „Die letzte Flucht“ von Wolfgang Schorlau das Thema gewünscht. Schorlau beschäftigt sich mit den Machenschaften und stellt dazu zahlreiche Materialien zur Verfügung.

Hohe Ausgaben und hohe Erwartungen

375 Mrd. Ausgaben - rund 12 % des Bruttoinlandsprodukts – die Summe, die ins Gesundheitssystem sind beeindruckend. Pro-Kopf gesehen leistet sich Deutschland nach USA und der Schweiz das teuerste System. Dennoch haben viele (alle?) der rund 7 Millionen Beschäftigten im System den Wunsch, einen größeren Teil des Kuchens zu bekommen.

Besonderheiten des Gesundheitssystem

Das deutsche Gesundheitssystem zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus. Historisch begingt ist die Unterscheidung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung, die sich in Aufbau, Finanzierung und Struktur unterscheiden. Rund 71 Millionen in Deutschland sind Mitglied in einer 109 gesetzlichen Krankenversicherungen. Sie zahlen ihren Beitrag nach Einkommen und haben den gleichen Leistungsanspruch. Die Privatversicherten können zwischen unterschiedlichen Tarifen wählen und zahlen Prämien nach Kriterien wie Alter, Gesundheitszustand und Beruf.
Weitere Besonderheiten sind die Trennung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung und ein kaum durchschaubares System der Selbstverwaltung.

Weitere Informationen

Bundeszentrale für politische Bildung: Dossier Gesundheitswesen
Sozialpolitik aktuell: Gesundheitswesen

Samstag, 28. März 2020

Europa in der Corona-Krise – gewinnt der Egoismus?

Rückt die Europäische Union in der Krise zusammen? Leider bisher nicht genug würde ich sagen, aber es ist auch noch nicht zu spät. In dieser Presseschau präsentiere ich Ihnen einige Kommentare, die mir aufgefallen sind.

Was für eine Enttäuschung

Der Titel des Essays im SPIEGEL vom 11. März spricht für sich. Nils Minkmar beklagt Kleinstaaterei und Konkurrenzdenken, die europäische Solidarität ist ein ferner Traum.

Alles nur Sonntagsreden?

Die EU-Staaten schlossen erst mal – unabgestimmt – ihre Grenzen, horteten medizinischen Materials und schauten erst mal auf sich:
Wie viele Sonntagsreden wurden zum Lob des großen Projekts gehalten? Wie oft wurde Europa als unser Rezept gegen Nationalismus, Irrationalismus und illiberale Tendenzen beschworen? Aber als es ernst wurde, waren Italien und dann Spanien allein.

Die Flüchtlingskrise ist auch noch da

In der Corona-Krise geht fast unter, dass wir auch noch eine Flüchtlingskrise haben. Auch hier legt Minkmar den Finger in die Wunde.

Unterdessen wurde auch schnell mal das Grundrecht auf Asyl außer Kraft gesetzt, auf das sich Flüchtlinge jederzeit berufen dürfen. Ein Schritt, den sich nicht einmal Trump traute. Das war also die berühmte Sicherung der Außengrenzen gegen die Ärmsten der Armen, was für eine Heldentat!  Unbewaffnete Zivilisten hart abzuweisen und sie wochenlang in schlimmsten Bedingungen hausen zu lassen ist kein Grund für Heldenrhetorik und eine Schande für Europa.

Der Egoismus gewinnt

Markus Becker beklagt in einem Kommentar auf SPIEGEL ONLINE die zögerliche EU.
Die Coronakrise bietet der EU die Chance, ihren Bürgern und ihren Gegnern zu zeigen, was sie kann. Doch die Europäer sind auf dem besten Weg, die einmalige Gelegenheit zu verspielen - wegen des Geldes.

Im Süden wird gestorben, im Norden wird gespart

Die hat mittlerweile gehandelt: Die Schulden- und Defizitregeln wurden ausgesetzt, im Haushalt wurden Milliarden umgewidmet. Aber beim Gipfel wurde wieder mal ums Geld gestritten, während China und Russland Italien beliefert – und sich diesen PR-Sieg nicht entgehen lässt.

Ein verstolperter Elfmeter

Dabei wäre durchaus die Chance gewesen, irrlichternden westlichen Partner eine Alternative aufzuzeigen, wie Becker ausführt:
Das Tragische daran: Noch nie war es für die EU so leicht wie jetzt, ihre Gegner vorzuführen. US-Präsident Donald Trump und der britische Premier Boris Johnson etwa beweisen gerade eindrucksvoll, dass sie einen Krisenmanager nicht einmal überzeugend spielen können. 

Europas Stunde schlägt noch

Stefan Kornelius ist in der Süddeutschen vom 28. März etwas optimistischer: Europas Stunde schlägt noch. Nationalstaaten sind nun mal die handlungsstärksten Institutionen – sie wirken mit Blick nach innen zum Wohl ihrer Schutzbefohlenen.
Wenn die Welle über den Kontinent zusammengebrochen ist und der Wiederaufbau beginnt, dann schlägt die Stunde der Gemeinschaft.

Die Hoffnung bleibt

So versuche ich auch in Bezug auf Europa optimistisch zu bleiben. Die Hoffnung habe ich auch durch die Menschen: Krankenhäuser übernehmen Kranke aus dem Elsass, die Bundeswehr hilft in Frankreich. Alles nur Symbole angesichts der gigantischen Probleme, aber manchmal sind auch Symbole wichtig.
Beeindruckend auch die Bilder in den Grenzgebieten, die angesichts der geschlossenen Grenzen zeigen: Das darf nur vorübergehörend sein, wir gehören zusammen!

Donnerstag, 26. März 2020

Noch mehr Hass im Internet

Über die schlechten Seiten des Menschen

In der Krise zeigen sich die besten und schlechtesten Seite des Menschen. Über die schlechten Seiten berichtete das Magazin Report Mainz am 24. März. „Wie AfD und rechte Gruppen Corona zur Hetze gegen Flüchtlinge nutzen“

Wir haben eine Hass-Pandemie

Ein mutiges Team von Aktivist*innen hat einiges aus Facebook-Gruppen zu Tage gebracht. Die Kommentator*innen jubeln über den Krankheitsausbruch von Politikern wie Cem Özdemir oder wünschen anderen die Krankheit an den Hals. Absurde Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur. Auch im realen Leben „leben“ sich derzeit einige aus, in dem sie Italiener*innen und Asiat*innen angreifen.



Hass im Internet und realen Leben

In meinem Seminar „Hass im Internet und realen Leben“ gehe ich dem Phänomen auf den Grund, denn schon vor der Corona-Krise war das Internet voller Hass.
Entschuldigungen gibt es natürlich keine, Erklärungen aber schon: Das Vertrauen in den Staat schwindet, „jeder will eine Insel sein“, d.h. die Gemeinschaft verliert an Kraft, die wirtschaftliche Unsicherheit, Konkurrenz und Leistungsdruck sorgen für Frust. Die Anonymität des Internets enthemmt dann einige zu wüsten Beleidigungen und Drohungen. 

Der Staat ist gefordert

Das alles ist natürlich alles keine Rechtfertigung und viele fordern zurecht ein Eingreifen des Staates. Gesetze wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, besser bekannt als Facebook-Gesetz versuchen diesem Irrsinn zu begegnen – bisher mit begrenztem Erfolg.

Wir sind gefordert

Natürlich sind wir aber alle gefordert, in dem wir Zivilcourage zeigen, d.h. sich einsetzen ohne sich selbst zu gefährden. https://zeig-courage.de/
Es gibt auch überzeugende Strategien gegen den Hass, hier verweise ich auf das Demokratiezentrum Baden-Württemberg.

Mittwoch, 25. März 2020

Was weiß die Wissenschaft?

Auf dieser Seite wird es vor allem um die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Corona-Krise gehen. Es gibt genügend kompetente Wissenschaftler*innen, die auf unterschiedlichem Niveau das Virus erklären können, da wäre es unpassend, wenn ich mich als Laie dazu äußere.

Leschs Kosmos über die Corona-Pandemie

Über Harald Leschs Thesen kann man sicherlich manchmal streichen, bei der ganzen Krisenberichterstattung war seine Sendung Leschs Kosmos aber ein Genuss. Klar verständlich (auch für mich als Laien), unaufgeregt und informativ!



Erläutert werden unter anderem:
  • Fledermäuse als Überträger?
  • Wie kommt das Virus vom Tier zum Mensch?
  • Die erste Coronavirus-Pandemie 2003
  • Warum die schnelle Ausbreitung von Corona?
  • Wie man die Pocken besiegte?
  • Wann gibt es ein Medikament?
  • Lernen von der Spanischen Grippe?
  • Was heißt 70 Prozent Durchseuchungsrate?

Auf der Homepage des ZDF finden Sie auch schriftliche Erläuterungen zu diesen Themen.

Wir wissen, was es ist und was wir tun müssen 

Wem die 45 Minuten zuviel sind, empfehle ich den Teil "Übrigens" ab Minute 41:45. Eindrucksvoll verweist Lesch auf die Bedeutung von Forschung und Wissenschaft, denen wir vertrauen können. Sie sind systemrelevant und wichtig bei der Bearbeitung der Krise. 


Montag, 23. März 2020

Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst.

Es ist ernst - Angela Merkels Fernsehansprache

Ich habe mich oft über sie geärgert, aber mein Respekt ist im Laufe des Jahres immer mehr gestiegen und ich bin froh, dass sie gerade unsere Kanzlerin ist: Angela Merkel hat mit ihrer Fernsehansprache ein klares Signal gesetzt.
Ich teile die Ansicht vieler Kommentator*innen, die die Rede gelobt haben – klare Aussagen, ohne viel Pathos, Anerkennung für Pfleger*innen und Kassierer*innen. Natürlich gab es auch Kritik, Stefan Braun kritisierte in der Süddeutschen zu viel Pathos, viele hätten sich härtere Maßnahmen erhofft. Aber der Appell war eindeutig: „Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst“.

Wohltuender Unterschied zu anderen Staats- und Regierungschefs

Sie grenzt sich damit auch angenehm von anderen Staats- und Regierungschefs ab. Ich meine nicht nur Donald Trump, dessen unsägliches Verhalten in der Krise noch unangebrachter ist als sonst. Auch ernstzunehmende Staatschefs machen es meiner Sicht nicht besser:
Emmanuel Macron hat in seiner Rede sechsmal den Satz „Wir sind im Krieg“ gebraucht, um anschließend die Teilnahme an der Kommunalwahl zu loben. „Die harte Hand zittert“ analysierte die ZEIT zurecht.

Noch nie da gewesene Einschränkungen

Hier sehen Sie das Video. Im Wortlaut können Sie im Text von NWZ online nachlesen:




Viele Zitate wurden diskutiert und hervorgehoben. Spannend fand ich die Passage, in der es um die Demokratie und ihre eigene Vergangenheit als DDR-Bürgerin geht.

Ich weiß, wie hart die Schließungen, auf die sich Bund und Länder geeinigt haben, in unser Leben und auch unser demokratisches Selbstverständnis eingreifen. Es sind Einschränkungen, wie es sie in der Bundesrepublik noch nie gab.

Lassen Sie mich versichern: Für jemandem wie mich, für die Reise- und Bewegungsfreiheit ein schwer erkämpftes Recht waren, sind solche Einschränkungen nur in der absoluten Notwendigkeit zu rechtfertigen. Sie sollten in einer Demokratie nie leichtfertig und nur temporär beschlossen werden - aber sie sind im Moment unverzichtbar, um Leben zu retten.

Das ist ein zentraler Punkt: Einschränkungen sind im Moment gerechtfertigt, müssen aber permanent begründet und überprüft werden.

Geteiltes Wissen und Mitwirkung

Die Kanzlerin sagt weiter:

Wir sind eine Demokratie. Wir leben nicht von Zwang, sondern von geteiltem Wissen und Mitwirkung. Dies ist eine historische Aufgabe und sie ist nur gemeinsam zu bewältigen.

Geteiltes Wissen und Mitwirkung! Die Politik lässt sich von Wissenschaftler*innen beraten, das Wissen ist transparent und jede einzelne Maßnahme muss gut begründet und entschieden wird. Dass dies auch schnell gehen kann, hat die Politik in den letzten Tagen bewiesen.
Wir sind aber alle gefordert, dass wir diese Krise möglichst schnell überwinden.

Beschränkung von Freiheit nur in Ausnahmefällen

Demokratie und die Einhaltung von Freiheiten (oder die wohlbegründeten) Ausnahmen sind Themen, die mich sehr umtreiben. In einem weiteren Blog werde ich diskutieren, ob die Demokratie den aktuellen Herausforderungen gerecht werden kann (Spoiler: ich bin davon überzeugt).