Donnerstag, 29. Oktober 2020

Medien - das Corona-Panikorchester?

Der Medienforscher Stephan Russ-Mohl kritisiert in einem Bericht für die Süddeutsche Zeitung die Medien scharf – durch ihre Berichterstattung hätten sie Angst geschürt. Er schickt voran, dass er kein Verschwörungstheoretiker ist - warum auch immer das mittlerweile nötig ist.

Vertreiben Medien Angst und Schrecken?

Nicht die Regierenden haben die Medien vor sich hergetrieben, wie das Verschwörungstheoretiker so gerne behaupten. Vielmehr haben die Medien mit ihrem grotesken Übersoll an Berichterstattung Handlungsdruck in Richtung Lockdown erzeugt, dem sich die Regierungen in Demokratien kaum entziehen konnten. Er verweist darauf, dass sich an manchen Tagen rund 70 Prozent der Berichte um Corona drehten.

Nachrichtenauswahl führt zum Tunnelblick

Durch die übertriebenen Berichte entsteht ein Tunnelblick: „Überaufmerksamkeit und einseitige Fokussierung erzeugen beim Publikum Interesse, aber eben auch Angst; diese Angst generiert steigende Nachfrage nach Corona-News, die inzwischen ja online in Echtzeit messbar ist.“ Dies führt zu weiteren Nachfragen mit den immer gleichen Experten und verengt die Berichterstattung.

Weniger Angstmache

Der Autor fordert weniger Angstmache und mehr Demut vor der Unberechenbarkeit des Virus, mehr Vertrauen in die Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger statt staatlicher Bevormundung, soweit sie über Abstandsregeln, Hygienetipps und Maskenpflicht hinausgeht - aber auch weniger Angstmache in den Medien, die mittelfristig den News-Totalverweigerern Auftrieb geben wird.

Bewertung 

Die dramatisch steigenden Zahlen an Infektionen zeigen, dass die Angst vor dem Virus sicher nicht unberechtigt ist. Dennoch ist an der Kritik sicher was dran, besonders im März gab es fast keine anderen Themen mehr. Auch Politiker*innen setzten viel auf Angstmachen statt die Politik zu erklären.

Montag, 19. Oktober 2020

Ist die Corona-Pandemie ein Epochenwechsel?

Im Blogeintrag über Andreas Reckwitz habe ich seine Position dargestellt, der in der Corona-Pandemie keinen Epochenwechsel sieht. Der Historiker Andreas Wirtsching hingegen sieht im Stern in der Corona-Krise sehr wohl einen Epochenwechsel und begründet dies auch überzeugend.

Nur Nationalstaaten und Behörden sind handlungsfähig

Die Bedeutung der Nationalstaaten, die manche im Zeitalter der Globalisierung schon als stark abnehmend betrachteten, hat wieder zugenommen. Während internationale Organisationen wie WHO und EU kaum handlungsfähig waren, waren es die Nationalstaaten, die gehandelt haben.

Schwere ökonomische Folgen

Durch die Pandemie ist der internationale Handel zum Erliegen gekommen und hat bei Produkten wie Masken und Medikamenten die Abhängigkeit deutlich gemacht. Ohne Frage wird dies Spuren hinterlassen. Auch für die Wirtschaft befürchtet Wirsching einen langwährenden Nachfrageeinbruch und „bittere politische Rechnungen“.

Katalysator bestehender Tendenzen

Ähnlich wie Reckwitz und andere Autoren betont auch er, dass viele Entwicklungen verstärkt werden könnten. "Das kann positive Entwicklungen betreffen wie den Klimaschutz, technologische Innovationen oder auch einen kritischeren Umgang mit dem Massentourismus." Sie könne aber auch soziale Ungleichheit und Nationalismus befördern.

Freitag, 9. Oktober 2020

Im Zweifel für den Lockdown?

Viele glauben bei der Bekämpfung der Pandemie zwischen zwei Übeln entscheiden zu müssen: entweder die Schließung von Geschäften, Fabriken und Schulen, um Menschen vor der Ansteckung zu beschützen – oder man verzichtet auf den Lockdown und akzeptiert stillschweigend eine höhere Anzahl von Toten.

Menschen verzichten auf Konsum – unabhängig von den Regeln

Claus Hulverscheidt berichtet in der Süddeutschen von einer Analyse des Internationalen Währungsfonds.
Diese zeigt, dass viele Bürger freiwillig auf den Besuch auf Restaurants, Theater und Geschäften verzichtet haben, unabhängig davon, ob die Regierung einen Lockdown verordnet war.
Der freiwillige Verzicht vieler Verbraucher ist aus Sicht der Fachleute ein klarer Beleg dafür, dass eine Lockerung von Lockdowns nicht die gewünschten ökonomischen Effekte bringt, solange die Infektionsgefahr hoch ist.

Schnelles staatliches Handeln kann richtig sein

Sie folgern, dass entschlossenes staatliches Handeln prinzipiell richtig sei: Die positiven Effekte eines raschen und stringenten Vorgehens, so die Experten, könnten auf mittlere Sicht die kurzfristigen Kosten eines Lockdowns "mehr als wettmachen".