Samstag, 27. Juni 2020

750 Milliarden für die Zukunft Europas

Es sind gewaltige Summen, aber sie könnten helfen, die Europäische Union eine schwierigen Situation zu überwinden – politisch und ökonomisch.
Die Kommission hat neben dem regulären Haushalt ein 750 Milliarden Programm vorgelegt, um die Folgen der Corona-Krise abzumildern.

Der Merkel-Macron-Plan

Die Grundlagen bildete der Vorschlag des französischen Präsidenten Macron und Bundeskanzlerin Merkel, die zur Überwindung der Krise ein 500 Mrd. Programm vorgeschlagen haben, das über Kredite finanziert werden sollen. Es war ein Kompromiss: Macron konnte durchsetzen, dass es sich dabei um Zuschüsse handelt, Merkel erreichte, dass es sich um eine einmalige Anleihe handeln soll.

Der Wiederaufbaufonds

Die Kommission ergänzte die Idee um weitere 250 Milliarden, die als Kredite zur Verfügung stehen. Diese Summe steht unter dem seltsamen Namen NextGenerationEU nun vor allem den Ländern zur Verfügung, die am härtesten von der Corona-Krise betroffen sind. Dieser soll den „normalen“ Haushalt ergänzen, der über die nächsten sieben Jahre einen Umfang von 1,2 Billionen Euro hat. Einen Überblick über den Wiederaufbaufonds bietet die Süddeutsche Zeitung

Große Erwartungen an die deutsche Präsidentschaft

Die Verabschiedung des Haushaltplans und des Wiederaufbaufonds ist nur eines der vielen Herausforderungen für die deutsche Präsidentschaft, die am 1. Juli beginnt.
Es ist viel Geld und Deutschland wird deutlich mehr Geld bezahlen als es herausbekommt. Aber was ist die Alternative? Bundespräsident Steinmeier hat es auf den Punkt gebracht: Bundespräsident Steinmeier: „Deutschland kann nur stark und gesund aus der Situation hervorgehen, wenn es auch den Nachbarn gut geht.“

Sonntag, 21. Juni 2020

Brexit-Verhandlungen in Corona-Zeiten - gibt es noch ein Abkommen?

Großbritannien war mit am härtesten von der Corona-Pandemie betroffen: über 248.000 Fälle – darunter auch Premierminister Johnson und über 44.000 Tote. Auch die Wirtschaft bricht ein, keine guten Voraussetzungen für die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen mit der EU.

Doppelter Schock durch Corona und Brexit 

Alexander Mühlauer verweist in der Süddeutschen Zeitung  darauf, dass Johnson diesen doppelten Schock nutzen könnte: Eine harte Landung, im schlimmsten Fall ohne Handelsvertrag mit der EU, wird wahrscheinlicher. Johnson könnte nämlich versuchen, den Schaden des Brexit unter dem weitaus größeren Schaden der Corona-Krise zu verbergen.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Die Verhandlungen kommen jedenfalls nicht von der Stelle. Im Moment überziehen sich die beiden Seiten mit Vorwürfen. Die Europäische Union fordert die dreifache Null: Null Zölle, null Quote und null Dumping. Bei diesem Punkt setzt die Kritik an – ein Anliegen war es ja, endlich eigene Standards festzulegen. In der Tat wurde dies von keinem Handelspartner erwartet, z.B. Kanada beim Abkommen CETA. 

No deal ist schlecht für alle

Die Verhandlungen bleiben kompliziert. Die Knackpunkt beschreibt ein Artikel im Deutschlandfunk.
Dennoch bleibt die Hoffnung auf eine Einigung, denn ein No-deal – das Scheitern der Verhandlungen – wäre schlecht für alle: Zollkontrollen, unterbrochene Lieferketten und nicht zuletzt der politische Schaden, der durch ein Scheitern der Verhandlungen angerichtet würde.

Dienstag, 16. Juni 2020

Über Care-Arbeit – passen Frauenberufe nicht in den Kapitalismus?

Bereits vor der Corona-Krise waren die Probleme im Bereich der Pflege offensichtlich: viele unbesetzte Stellen, (zu) viele Patient*innen pro Pfleger*in, schlechte Bezahlung.
Neben der Pflege zählen auch Kinderbetreuung und Haushalt zur „Care-Arbeit“ – Tätigkeiten, bei dem es um das Kümmern geht. Diese Tätigkeiten werden überwiegend von Frauen ausgeführt und werden entweder überhaupt nicht oder nur gering bezahlt ist. Zwei Erklärungsansätze stelle ich in diesem Blogeintrag vor.

Passen Frauenberufe nicht in den Kapitalismus?

Lea Hampek und Naikissa Salavati liefern in der Zeitschrift „Plan W“ der Süddeutschen Zeitung Gründe, warum Frauenberufe schlecht bezahlt sind.
Frauen suchen sinnstiftende Arbeit, diese aber haben in einem System, das Waren und Geld produzieren soll, keinen dominanten Platz. Dies ist auch historisch bedingt, denn „Care-Arbeit“ wurde entweder in der Familie oder im Ehrenamt ausgeführt. „Frauenberufe passen nicht in den Kapitalismus“, so das Fazit der Autorinnen. Die Privatisierung und Einführung von Marktelementen hat an dieser Situation nichts geändert – im Gegenteil ist der finanzielle Druck sogar noch gestiegen.

Kümmern sich Pfleger*innen nicht genug um sich selbst?

Auf einen weiteren Punkt verweist Detlef Esslinger in der Süddeutschen Zeitung auf einen weiteren wichtigen Punkt. „Es gibt in der Pflege keine bedeutende Gewerkschaften, die Tariflöhne für alle durchsetzen könnte – weil Pflegekräfte Menschen sind, die sich gern um andere kümmern, aber oft sich selbst vergessen.“ Andere Berufsgruppen schaffen es in der Tat besser, ihre Interessen durchzusetzen.

Änderungen in Sicht!?

Immerhin wurden einige Verbesserungen beschlossen: der Mindestlohn wurde erhöht, es soll einen besseren Pflegeschlüssel und eine Sonderprämie geben. Außerdem bleibt die Hoffnung, dass die Anerkennung bleibt und die Arbeit der Pfleger*innen nicht nur durch Applaus, sondern auch mehr Anerkennung gewürdigt wird.

Samstag, 13. Juni 2020

Zurück zur Rollenverteilung zu Zeiten unserer Großeltern?

Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung Berlin, schlägt Alarm: sie warnt vor einer „entsetzlichen Retraditionalisierung“ und einem Rückfall auf eine Rollenverteilung wie zu Zeiten unserer Großeltern.

Die Frauen verlieren ihre Würde

In einem Beitrag für die ZEIT verweist Allmendinger auf eine Studie zur Rollenverteilung zwischen Müttern und Vätern in der Corona-Krise. Es sind überwiegend Frauen, die sich aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen. Selbst wenn beide Partner zuhause sind, ist es oft die Frau, die sich neben dem Beruf um die Kinder und den Haushalt kümmert. Anders als viele romantisierend vermuteten, sind viele Frauen nicht froh, endlich die Last der Erwerbsarbeit abgeschüttelt zu haben.

Mutti macht das schon

Barbara Vorsamer kritisiert in der Süddeutschen Zeitung, dass die Politik Mütter und Väter alleine lässt. „Für Firmen packt man die Bazooka aus, für Eltern nicht mal die Wasserpistole“. Zwar wurde jetzt eine Sonderprämie von 300 Euro versprochen, aber auch hieran gibt es berechtigterweise Kritik. Für Nicola Fuchs-Schündeln wären die Öffnung von Schulen und Kita wichtiger.

Frauen arbeiten in systemrelevanten Berufen – und verdienen weniger

Frauen arbeiten überproportional in Berufen, die in der Krise als „systemrelevant“ angesehen wurde, z.B. in der Pflege oder an der Kasse. Neben der Belastung durch in der Familie kommt dies für viele Frauen noch hinzu.

Staatshilfen überprüfen

Die Prognosen von Jutta Allmendinger eines Rückfalls um 30 Jahre mögen übertrieben zu sein, eine Diskussion ist aber dringend erforderlich. Wichtig finde ich auch ihre Forderung, dass alle Staatshilfen hinsichtlich ihrer Bedeutung für Frauen überprüft werden sollten. Erfreulicherweise hat die Debatte über eine bessere Bezahlung von Care-Arbeit bereits begonnen, auf die ich in einem weiteren Beitrag ausführlicher eingehen möchte.

Dienstag, 9. Juni 2020

Kein Leben ist weniger wert - gibt es einen Konflikt der Generationen?

In den nächsten Beiträgen geht es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Heute beginne ich mit der Frage, wie sich die Corona-Krise auf die Generationen und das Verhältnis zwischen den Generationen auswirkt. 

Generation Corona: Jung, motiviert – abgehängt?

Der SPIEGEL widmete der Jugend eine Titelgeschichte und zeigte die besondere Betroffenheit der Generation.
Junge Menschen unterschiedlichen Alters sind betroffen: in der Schule, bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz und im Berufsleben. Außerdem muss die jungen Generation die nun aufgenomme-nen Schulden irgendwann zurückzahlen.  Für den Jugendforscher Klaus Hurrelmann ist klar: "Die Jungen werden das Wohlstandsniveau ihrer Eltern nicht erreichen, es geht für sie ums Halten" - wenn überhaupt.

Dreifache Konfrontation der Generationen?

Andreas Zickle beschreibt in der Süddeutschen Zeitung drei konfliktreiche Themenfelder:
  • Rente: Durch den Generationenvertrag müssen immer weniger Jüngeren müssen für immer mehr Rentner*innen finanzieren
  • Klimawandel: Die Jugend wird die Folgen unseres heutigen Verhaltens ausbaden müssen
  • Corona-Krise: der Ausnahmezustand trifft wirtschaftlich v.a. jüngere Menschen
Daraus schließen einige, dass sich Ältere isolieren sollen, um jüngere Menschen (und die Wirtschaft) zu schützen. Die Debatte gipfelte in den unsäglichen Äußerungen von Boris Palmer, dass einige Opfer eh bald gestorben wären. Dennoch ist die Frage wichtig: Opfern die Jungen ihren Wohl-stand, nur damit die Alten und Kranken ein kleines bisschen länger leben? 

Kein Leben ist weniger wert

Christina Berndt gibt in der Süddeutschen Zeitung mit dem treffenden Titel Kein Leben ist weniger wert eine klare und aus meiner Sicht überzeugende Antwort: Diese Debatte ist moralisch unerträglich - und wissenschaftlich haltlos. Auch wenn das Durchschnittsalter der Verstorbenen hoch ist, gehen Expert*innen von einem Verlust zwischen fünf und 13 Lebensjahren aus. Sie folgert: „Es geht für alle um Gesundheit, um Geld - und um ein möglichst langes Leben in einer Gesellschaft, die in der Krise zusammensteht.“

Individuelle Empfehlungen für Patienten

Natürlich ist eine Debatte notwendig, wie man Menschen aus der Risikogruppen am besten schützt. Wenig hilfreich finde ich aber den Vorschlag, die eine Generation komplett wegzusperren. Überzeu-gender ist der Vorschlag des Soziologen Hans Bertram, für Patienten individuelle Empfehlungen je nach Alter, Vorerkrankung und Konstitution auszusprechen.

Samstag, 6. Juni 2020

Rettungsmaßnahmen - wie kann der Staat zu Geld kommen?

In diesem Blogeintrag geht es um die immer größer werdenden Rettungspakete und Schulden – und Ideen, wie der Staat zu Geld kommen könnte.

Rettungspakete und Ausfälle werden immer größer

Mit einem Konjunkturprogramm über 130 Mrd. hat die Bundesregierung in dieser Woche ein deutliches Zeichen gesetzt. Bereits zuvor waren Hilfspakete in der Höhe von 350 Milliarden beschlossen worden. Dazu kommen Garantien im Umfang von 800 Milliarden für Unternehmen.
Auf der anderen Seite wird mittlerweile erwartet, dass das Steuereinkommen um 316 Milliarden geringer ausfallen können. Zusätzlich wird es auch auf europäischer Ebene ein Rettungspaket, das nach aktuellen Vorschlägen der Kommission einen Umfang von 750 Milliarden haben wird. 

Schulden, Wachstum und weniger Subventionen

Unter dem Titel „Kommt Deutschland jemals wieder raus aus den Schulden?“ berichtet der SPIEGEL über die Positionen von Deutschlands bekanntesten Ökonomen. War Peter Bofinger jahrelang Außenseiter, sind sich mittlerweile fast alle einig: Zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie müssen Schulden aufgenommen werden. Uneinig sind sich die Experten aber, ob und wann die Schulden zurückgeführt werden sollten. Unterschiedliche Meinungen gibt es auch in der Frage, ob Wachstum ausreicht, um die Schuldenquote schnell wieder zurück zufahren. Gabriel Felbermayr hinterfragt die 200 Milliarden Subventionen und Steuerprivilegien „Da liegt viel Geld auf der Straße, das man einsammeln kann.“ 

Hier liegt ein Schatz

Die Süddeutsche nennt sechs Ideen, wo noch Geld zu holen ist.  Der größte Posten ist hier das Vermögen der Geldwäscher, das auf bis zu 4,2 Billionen geschätzt wird. Durch das Einfrieren von Konten könnte sich der Staat hier einiges holen. Auch in Immobilien steckt viel Schwarzgeld. Die Autoren fordern dem Beispiel Italiens zu folgen und hier stärker zu beschlagnahmen.
Die weiteren Vorschläge betreffen Steuern: auf den Devisenhandel, der täglich (!) einen Umfang von 6 Billionen hat sowie die Bekämpfung von Steuertricks und Steueroasen.
Ein vergleichsweise kleinerer Posten sind sog. nachrichtenlose Konten. Auf den Konten von Menschen ohne Erben schlummern weitere Milliarden, die bisher nach 30 Jahren den Banken zufließen.

Höhere Steuern und Vermögensabgabe

Die Bundesregierung hat überraschend angekündigt, die Mehrwertsteuer zumindest kurzfristig zu senken. Dennoch könnte es am Ende auf höhere Steuern hinauslaufen. Die SPD-Parteichefin Saskia Esken hatte eine Vermögensabgabe ins Spiel gebracht. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags bezweifelt, dass die Corona-Krise als Begründung für eine Vermögensteuer für reiche Bürger tauge. Die Süddeutsche Zeitung zitiert den Verfassungsrechtler Joachim Wieland, der eine einmalige Vermögensabgabe für möglich hält. Dies wird letztlich auch eine politische Frage sein. 

Dienstag, 2. Juni 2020

Rettungsmaßnahmen - wenn es schief geht

Die bisherigen Berichte über die Rettungsmaßnahmen waren eher optimistisch, bezogen sich aber vor allem auf Deutschland. Ein Blick auf andere Staaten Europas und der Welt sowie den Zustand der internationalen Bezeichnungen lassen Zweifel aufkommen.

Die Pandemie als Vorspiel zum ganz großen Crash

Der SPIEGEL zeichnet in der Geschichte „Die Zombie-Wirtschaft“ ein eher düsteres Bild: Die Autoren verweisen auf die Gefahr, dass sowohl die Schulden als auch die wirtschaftlichen Problemen nicht so schnell verschwinden: Unternehmen, denen das Geschäft wegbricht, müssen Kredite aufnehmen und Mitarbeiter entlassen. Bürger, die schon vor Corona hoch verschuldet waren, können dann ihre Darlehen nicht mehr bedienen. Für alle wird es schwieriger diese Schulden zu bedienen.
„Ist die Pandemie also nur das Vorspiel zum ganz großen Crash, zu einer Finanzkrise epochalen Ausmaßes, die Unternehmen, Banken und Staaten in den Abgrund reißt?“

Quälend lange Erholung

Claus Hulverscheidt hält die Hoffnung vieler Experten auf einen schnellen Aufwärtstrend für naiv.
Hauptleidtragende der Krise sind Frauen, Geringverdiener und soziale Randgruppen – ein Trend, der sich in den nächsten Monaten noch verstärken wird. Aber auch der Lebensstandard der Mittelklasse ist erneut in Gefahr – mit weitrechenden Folgen. Die Gefahr sieht er deshalb auch nicht am Virus selbst, sondern von Eiferern und Populisten. Einer der einflussreichsten ist Donald Trump. Seine Wiederwahl könnte in der Tat dem Nationalismus weltweit einen weiteren Schub geben.

Der zweite Virus heißt Nationalismus

Nicht nur Donald Trump, auch andere Regierungen haben zumindest zu Beginn der Krise erst mal nur an sich gedacht. In einer Kolumne im SPIEGEL bezeichnet Michael Sauga den Nationalismus als den zweiten Virus.Er verweist darauf, dass es während der Finanzkrise rege internationale Aktivitäten zur Überwindung der Krise gab, nun aber jeder für sich kämpft und teilweise auch gegeneinander kämpft. 

Skepsis ist angebracht

In Bezug auf die Zukunft unserer Gesellschaft betonte Bundespräsident Steinmeier, dass wir alleine entscheiden, nicht das Virus. Diese Aussage lässt sich auch auf die internationale Politik übertragen: durch Kooperation ließe sich die Krise schneller und besser überwinden. Dazu gibt es leider keine Anzeichen, denn nicht nur die Regierungen schauen nach sich, auch in vielen Bevölkerungen grassiert der Nationalismus.