Montag, 31. August 2020

Das Coronavirus verändert die Welt

Eine Dokumentation der Reihe „Die Story im Ersten“ untersucht den Zug der Seuche: Wie reagieren unterschiedliche politische Systeme und Machthaber auf die gleiche Herausforderung – auf das neue Coronavirus SARS-CoV-2? Welche Staaten schaffen es, ihre Bürger zu schützen, welche versagen? Und welche Gründe gibt es dafür? Wie kann es gelingen, Menschen gesund zu halten, ohne die Wirtschaft zu ruinieren? Und wie wird das Virus als Waffe im Wettstreit der politischen Systeme eingesetzt?

Fehler auf allen Seiten

Fraglos wurden bei allen Akteuren Fehler gemacht. Viel zu lange hielten die westlichen Demokratien das Coronavirus für ein chinesisches Problem. Während die Weltmacht USA im Corona-Chaos versinkt, strauchelte der Rivale China anscheinend nur anfangs. Wird das autoritäre Regime in Peking durch sein aggressives und konsequentes Vorgehen gegen das Virus Gewinner der Krise sein?

Unterschiede im Umgang

Jenseits der Unberechenbarkeit des Virus wird aber deutlich, dass die Politik Einfluss nehmen kann. Ich bin überzeugt, dass Demokratien durchaus mit Krisen umgehen können. Ein Beispiel im Bericht zeigt Taiwan, die durch frühes und konsequentes Handeln bis heute Schlimmeres verhindert haben.

Zweifel am Ursprung und Beginn der Epidemie  

In dem Bericht kommen auch Stimmen zu Wort, die anzweifeln, ob Wuhan wirklich der Ausgangspunkt war und ob das Virus nicht schon 2019 in Europa aufgetaucht ist. Dieses und viele andere Fehler müssen noch aufgearbeitet werden. Es wird nicht die letzte Dokumentation zu diesem Thema bleiben.

Interessante Dokumentation mit interessanten Personen

Es ist in jedem Fall eine interessante Dokumentation, in der auch viele Experten zu Wort kommen, unter anderem: Lothar Wieler (Robert-Koch-Institut); Gabriel Felbermayr (Weltwirtschaftsinstitut Kiel); Ilona Kickbusch (World Preparedness Monitoring Board); Sylvie Briand (Weltgesundheitsorganisation, WHO); Chikwe Ihekweazu (Leiter der Seuchenschutzbehörde Nigeria); Chen Chien-jen (ehemaliger Vizepräsident Taiwans).

Dienstag, 25. August 2020

Warum der Lockdown sinnvoll war

Immer wieder wird behauptet, mit den strengen Maßnahmen zu Beginn der Pandemie habe man die Wirtschaft stranguliert. In seinem Essay für die Süddeutsche Zeitung (leider nur für Abonnenten) argumentiert Marc Beise, dass dies nicht stimmt.

Kein Konflikt zwischen Epidemiebekämpfung und Wirtschaftsentwicklung

Viele Ökonomen gehen sogar davon aus, dass ein Lockdown mittelfristig weniger schädlich für die Wirtschaft ist als weniger strenge Maßnahmen. Beise verweist auf den Vergleich zwischen Schweden und Deutschland. Schweden hat gemessen auf die Zahl der Einwohner durch den lockeren Kurs fünfeinhalbmal mehr Tote, aber den gleichen Rückgang in der Wirtschaft. Auch das Konsumverhalten unterscheidet sich fast nicht – trotz offener Läden haben die Schweden deutlich weniger konsumiert.

Umsichtige schrittweise Öffnungsprogramm

Beise argumentiert, dass es ein gemeinsames Interesse von Gesundheit und Wirtschaft, die Lockerungen vorsichtig vorzunehmen. „Je besser das funktioniert, desto schneller erholt sich auch wieder die Wirtschaft und desto mehr Lockerungen werden möglich“.
Wenn diese Argumentation stimmt – und sie erscheint zumindest schlüssig – war es also nicht nur menschlich geboten, nicht auf Herdenimmunität zu setzen und den Tod vieler Menschen in Kauf zu nehmen – sondern auch wirtschaftlich vernünftig.

Donnerstag, 20. August 2020

Der Crash der Fonds der Crash-Propheten

Ein weiterer interessanter Artikel über die Crash-Propheten und ihre Fonds von Harald Freiberger erschien in der Süddeutschen Zeitung   Ich hatte mich bereits in einem Blogeintrag damit beschäftigt und sehe mich bestätigt.

Schlechte Performance der Fonds der Cash-Propheten

Marc Friedrich und Matthias Weik beschwören seit Jahren den Zusammenbruch und sahen sich durch die Krise bestätigt. Ich habe selber miterlebt, wie sie für ihre „Wertefonds“ werben, der trotz Investitionen in Gold und Edelmetalle in der Krise abstürze und seit der Auflage weit hinter andern dem Aktionenindex hinterherhinkt.
Nicht viel besser die Fonds von Max Otte, der den Absturz 2008 prophezeite. Mr. Dax Dirk Müller sichert seine Aktien gegen Kursverluste ab – wenn die Börse steigt, kostet das Rendite.

Der nächste Crash kommt bestimmt?

Die Autoren verweisen, dass der richtige Crash erst noch kommt – was für eine zynische Argumentation. Seit Jahren laufen die Aktien gut, auf fallende Kurse zu setzen ist deshalb ein Roulettespiel. Der Vermögensberater Braun sieht sich an sein Lieblingslied von David Bowie erinnert: „Wir können Helden sein, aber nur für einen Tag.“

Dienstag, 11. August 2020

Die Welt neu denken - Zeit für eine radikale Umkehr?

Maja Göpel ist nicht die einzige, die in der Corona-Krise die Chance bzw. die Notwendigkeit zur grundlegenden Veränderung sieht. Mit ihrem Buch „Unsere Welt neu denken“ schaffte sie es in die Bestsellerlisten. Sie selbst wurden von den Schülerprotesten Fridays for Future“ inspiriert und gründete die „Scientists for Future“.

Unsere Welt neu denken

In ihrem Buch geht sie der Frage nach, wie Menschen auf der voller gewordenen Erde leben können, ohne ihre Lebensgrundlage zu verszehren? Sie stellt das auf ewiges Wachstum ausgerichtete Wirtschaftssystem in Frage und sucht nach einem neuen Entwicklungsmodell. Das tut sie, so Alexander Jung und Michaela Schießl im SPIEGEL „durchaus alttestamentarisch, es ist die Forderung nach einer Umkehr".

Abkehr vom Wachstumszwang

Die Kritik an der Wirtschaft und dem Bruttoinlandsprodukt ist nichts Neues, sie liefert aber durchaus interessante Beispiele, wie z.B. Bienen, die kostenlos Pflanzen bestäuben und damit einen großen Nutzen generieren. Verkauft eine Firma jedoch Roboterbienen, die den Job nach dem Bienensterben übernehmen, wächst das Bruttosozialprodukt."
Scharf kritisiert sie einige Rettungsmaßnahmen wie Steuergelder für die Lufthansa, sie fordert stattdessen eine klare Gesetzgebung „Ohne Regulierung kein Markt“. Eine interessante Beschreibung ihres Buchs bietet der Deutschlandfunk.

Argumente gegen Klimaschutz begegnen

Sehr gut gefallen hat mir der Artikel in der ZEIT, den Maja Göpel gemeinsam mit Petra Pinzler geschrieben hat. In „Natürlich geht das“ begegnet sie mit Argumenten, die immer wieder gegen Klimaschutz angeführt werden:

  • Menschen wollen kaufen und zwar immer mehr
  • Ohne Wachstum ist alles nichts
  • Globalisierung ist gut
  • Irgendeine Technologie wird uns schon retten
  • Der Markt wird alles regeln 

Brauchen wir diesen Konsumwahnsinn?

Diese berechtigte Frage war Thema beim Gespräch von Maja Göpel im "After Corona Club" mit Anja Reschke. Göpel sieht in der Corona-Krise die Chance zum Umdenken: "Wir können das doch viel besser. Das wäre doch jetzt eine Aufbruchstimmung, die auch aus so einer Krisenhaftigkeit etwas ganz Positives mit sich bringt." Ein spannendes und lohnenswertes Gespräch!


Montag, 3. August 2020

Durchbruch beim EU-Gipfel - kommt die EU so durch die Corona-Krise?

Über 90 Stunden haben die Staats- und Regierungschefs der EU verhandelt – dann war sie da – eine Einigung über den mehrjährigen Finanzplan in Verbindung mit einem 750 Mrd.-Paket zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Krise.
Die Beobachter sind sich nicht einig – ist die gemeinsame Schuldenaufnahme der Hamilton-Moment und die erste Stufe zu den Vereinigten Staaten von Europa? Kommt die EU mit den Maßnahmen durch die Krise? Oder sind die Gemeinsamkeiten aufgebraucht?

Durchbruch geschafft

Einen guten Überblick über die Ergebnisse des Gipfeltreffens finden Sie in der Süddeutschen Zeitung.
Positiv ist auf jeden Fall zu werten, dass ein Ergebnis erreicht wurde. Alle haben etwas gewonnen haben: Merkel hat den Deal, der Süden bekommt Geld, der Norden Rabatte, Ungarn und Polen müssen wenig wegen der Rechtsstaatlichkeit befürchten.
Die Grundlage der Einigung basiert auf einem Kompromiss zwischen Macron und Merkel. Macron konnte die gemeinsame Kreditfinanzierung durchsetzen, Merkel verhinderte eine gesamtschuldnerische Haftung. Dies ist eine gute Lösung für von beiden Seiten erhöhte Debatte über Corona-Bonds.

Der Hamilton-Moment und Deutschland als Gewinner

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, beschreibt in einem Essay für den SPIEGEL den Hamilton-Moment, bezogen auf die 1790 beschlossene Fiskalunion, die in den „Vereinigten Staaten von Amerika“ mündeten. Fratzscher sieht in den Beschlüssen eine Grundlage für die europäische Fiskalunion. Außerdem sieht er in Deutschland den großen Gewinner des beschlossenen Programms. „Das deutsche Wirtschaftsmodell, das auf Offenheit und Handel beruht, kann nur als Teil eines wirtschaftlich und politisch stark integrierten Europas langfristig überleben und erfolgreich sein.“

Rechtsstaatsignoranten und Sparsamkeitspopulisten

Es galt aber auch einige Kröten zu schlucken. Die Sparsamen Vier (Niederlande, Österreich, Schweden, Dänemark, später ergänzt durch Finnland) ließen sich ihre Zustimmung teuer bezahlen. Statt der Abschaffung wurden die Rabatte für die sog. Nettozahler sogar noch erhöht. Nachgiebiger waren die Vier beim Rechtsstaat, hier gelang nur eine wachsweiche Erklärung, die Polen und Ungarn als Sieg feierten. Bernd Ulrich beklagt in der ZEIT „Rechtsstaatsignoranten und Sparsamkeitspopulisten“.

Ein lernendes System, offen und pragmatisch

Bernd Ulrich zieht in seinem Artikel ein positives Fazit, er sieht die EU in besserer Verfassung als die Vereinigten Staaten von Amerika, was allerdings aktuell keine große Anforderung ist. Spannend finde ich den zweiten Teil der Analyse. „Die EU ist ein lernendes System, offen und pragmatisch.“