Samstag, 30. Mai 2020

Rettungsmaßnahmen - sind wir bald pleite?

In einem Beitrag über die Rettungspakete hatte ich bereits über die Problematik der Schulden berichtet, heute möchte ich zwei weitere positive Berichte vorstellen – im nächsten Beitrag geht es dann aber um die Zweifler.

Schuldenmachen historisch günstig

Kurzfristig ist das Schuldenmachen kein Problem. Deutsche Staatsanleihen sind sehr begehrt, da sie als sichere Anlage gelten. Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen ist negativ, d.h. Deutschland muss in 10 Jahren weniger zahlen, als sie jetzt bekommen. Auch der Anstieg des Schuldenstands – von unter 60 % auf etwa 75 % des Bruttoinlandsprodukts - liegt noch unter der Höhe von 2009 und weit unter den Quoten anderer Staaten. Kurzfristig ist die Verschuldung kein Problem, wie sieht es mittel- und langfristig aus?

Wann sind wir pleite?

Mark Schieritz betont in der ZEIT angesichts der beginnenden Debatte über Obergrenzen, dass es eben nicht von der Schuldensumme abhängt, ob sich Deutschland die immer teurer werdenden Rettungsprogramme leisten kann.
  • Zinsen: Ob die Zinsen so niedrig bleiben, ist unklar, über längere Laufzeiten der Staatsanleihen könnte der Staat aber länger von den Niedrigzinsen profitieren.
  • Wachstum: Wie schnell die Wirtschaft wieder wächst, ist noch unklar. Viele Ökonomen erwarten, dass es zukünftig nicht mehr so steil nach oben geht.
  • Etatsaldo: Wenn der Staat wieder Haushaltsüberschüsse erwirtschaften kann, sinkt der Schuldenstand auch wieder.
Die Frage „Wann sind wir pleite?“ beantwortet Schieritz nicht, insgesamt klingt er aber optimistisch.
Auch wenn das Staatsdefizit derzeit rasant ansteigt – falls die Wirtschaft nicht komplett abstürzt und falls die Zinsen nicht deutlich steigen, dürfte sich die Staatsverschuldung auch ohne einschneidende Sparmaßnahmen oder Steuererhöhungen wieder unter Kontrolle bringen lassen.

Wie der Abstieg vom Schuldenberg gelingen kann

Alexander Hagelüken argumentiert in der Süddeutsche Zeitung ähnlich. Er sieht Auswege aus dem Dilemma und widerspricht den oft geäußerten Befürchtungen von Staatspleiten und Hyperinflation.
Er nennt die Finanzierungskosten, die entscheidender sind als die Größe des Schuldenbergs.
Wenn die Wirtschaft wieder wächst und Quote über den Zinsen liegt, werden die Schulden wieder schrumpfen – so wie in den letzten Jahren.

Und wenn es nicht so schnell geht? In meinem nächsten Beitrag geht es um ein eher negatives Szenario.

Mittwoch, 27. Mai 2020

Rettungsmaßnahmen - Was sollte der Staat (nicht) tun?

Im letzten Beitrag ging es um die Kritik an den Rettungsmaßnahmen. Aber was soll der Staat (nicht) tun? Hier präsentiere ich einige Antworten. 

Mal richtig zuschlagen

Mit den harschen Wörtern „Kriminell, unangebracht, dreist“ kritisieren Ingo Malcher und Marcus Rohwetter in der ZEIT das Verhalten vieler Gruppen – und die unzureichende Reaktion des Staates. Sie bemängeln, dass die wichtigen Hilfen in vielen Fällen missbraucht wurden und oft nur alte Forderungen aufgewärmt werden. Sie verlangen ein beherztes Eingreifen gegen die, die die Hilfe missbrauchen.

Der Staat muss sagen, wo es lang geht

Markus Brauck argumentiert im SPIEGEL ähnlich: Der Staat soll helfen – aber richtig.
Er fordert, dass der Staat die Bedingungen für „eine neue Form des Wirtschaftens“ schafft: Klimafreundlichen Konsum fordern, die Energie- und Verkehrswende voranbringen, die Industrie umbauen. „Der Weg dahin ist durch Corona nicht leichter geworden, sondern schwerer. Die verlorenen Jahre der Klimadebatte sind doppelt verloren.

So kann sich die Wirtschaft erholen

Die Wirtschaftsweisen empfehlen ein Konjunkturpaket, das vor allem dem Strukturwandel helfen soll. Die Experten warnen die Politik vor kurzfristigen Maßnahmen - eine Kaufprämie für Autos etwa lehnen sie ab. Sie fordern:
  • Die Ausweitung der Möglichkeiten zum steuerlichen Verlustrücktrag und -vortrag, dies soll Unternehmen in Not unterstützen und Anreize zu Investition geben. 
  • Die Reform der Energiepreise: eine Entlastung von Haushalten und Unternehmen bei „gleichzeitiger Behebung ökologisch fragwürdiger Verzerrungen“
  • Den Ausbau der Digitalisierung durch die Unterstützung von Weiterbildungsmaßnahmen (die Wirtschafsweisen nennen es „Bildung von Humankapital")

Sonntag, 24. Mai 2020

Rettungsmaßnahmen - Bekommen die Richtigen das Geld?

In den nächsten Blogeinträgen stehen die gigantischen Rettungspakete im Mittelpunkt. Hier geht es zunächst um die Frage, ob die Richtigen das Geld bekommen haben.

Von der Anerkennung zu scharfer Kritik

Gab es am Anfang eine große Zustimmung zu den beschlossenen Maßnahmen, regt sich jetzt Widerstand: einige fühlen sich bei den Hilfen übergangen, es gibt Betrugsfällen und den Vorwurf, dass die Falschen das Geld bekommen. Über diese Kritik berichten auch viele Medien.

Millionenverluste durch Betrug

"Millionen für die Falschen" betitelt die Süddeutschen einen Bericht über Betrug. „Die einzelnen Beträge wirken gering, aber in Summe sind sie gewaltig. Mal geht es um 9000 Euro an Soforthilfe, die in die falschen Hände gelangt sind, mal fällt ein Antrag auf 40 000 Euro Corona-Subventionen auf“. Besonders bitter, dass tatsächlich Betroffene für diesen Betrug missbraucht werden.

Staatshilfen für Steuervermeider

Scharfe Kritik gab es auch bei den Unternehmen, die trotz Milliardengewinnen Hilfen beantragt oder im Falle von Hilfen weiterhin Dividenden und Boni einsetzen. Einen besonders dreisten Fall hat der WDR und die Süddeutsche Zeitung ans Tageslicht gebracht. Sie fanden heraus, dass alle DAX-Unternehmen Tochterfirmen in Niedrigsteuerländern haben.

Die Corona-Festspiele der Lobbyisten

Aber auch jenseits finanzieller Forderungen nutzen Lobbyisten die Krise aus – oftmals mit Forderungen, die gar nichts mit der Krise zu tun hat. Der SPIEGEL nannte dies "Die Corona-Festspiele der Lobbyisten". Längst beschlossene Maßnahmen werden in Frage gestellt, v.a. die Rücknahme von Umweltauflagen  – teilweise mit Unterstützung von Politiker*innen.
Besonders aufgefallen ist hierbei VW-Chef Deiss, der die Unterstützung des Staates forderte und erst ganz zum Schluss die eigene Boni diskutieren möchte.

Donnerstag, 21. Mai 2020

Wie sollte man mit Verschwörungstheorien umgehen?

Im dritten Teil der Reihe geht es um die Frage, wie man am besten mit Verschwörungstheorien am besten umgeht:

Methoden Kretschmer oder Kretschmann

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte mit Gegnern der Schutzmaßnahmen in Dresden diskutiert – ohne Mundschutz und Abstandsregeln. Dies hatte der baden-württembergische Ministerpräsident kritisiert.  Er betont das Recht auf Proteste, möchte aber nicht mit Menschen diskutieren, die "alles was wir machen für mehr oder weniger falsch halten" – er setzt auf Aufklärung.

Helfen Aufklärung und Bildung?

Die Politikwissenschaftlerin Nocun glaubt nicht, dass mehr Bildung das Problem lösen wird. Sie verweist darauf, dass auch Menschen mit einem Universitätsabschluss und finanziell abgesichert sind, an solche Erzählungen glauben. Dennoch sind fundierte Informationen sicher ein Weg, um einen fundierten Diskurs führen zu können.

Auf Widersprüche aufmerksam machen

In manchen Fällen kann es hilfreich sein, dagegenzuhalten. Eine Staatengemeinschaft, die leider in den internationalen Beziehungen kaum mehr was zustande bringt, vereinigt sich unter Anleitung von Bill Gates, um mit einem Virus die Weltbevölkerung auf 500 Millionen Menschen zu bringen? Und ein veganer Koch ist gemeinsam mit einem Sänger einer der wenigen, der dies durchschaut?
Erstmal durchatmen ist dann auch einer der Tipps im Umgang mit solchen Geschichten. Die Süddeutschen Zeitung nennt weitere Punkte wie Quellen prüfen, skeptisch sein und nicht nach Sündenböcken suchen.   

Klare Abgrenzung

Bei manchen „Meinungsäußerungen“ hilft aus meiner Sicht nur noch klare Abgrenzung oder eine Anzeige. Mit Leuten, die zum Mord auffordert, unsere Politiker*innen mit Hitler und Stalin gleichsetzen oder sich mit Judenstern in eine Reihe mit den Opfern des Holocaust stellen, kann und sollte man nicht diskutieren. Natürlich kann niemand was für die Gesinnung seiner Mitdemonstrant*innen, wer aber in einem Meer von Reichskriegsflagge mit marschiert, sollte sich überlegen, ob er auf der richtigen Demo ist.

Einfach ignorieren

Vielleicht ist es in manchen Fällen besser, die Leute einfach zu ignorieren. Nicht jeder, der tweetet oder ein Video auf Youtube einstellt, hat was Fundamentales zu sagen. Durch die permanente Medienpräsenz werden manche von ihnen wichtiger gemacht als sie sind.

Bleibt zum Schluss noch Humor

Christian Ehring hat es bei Extra 3 auf den Punkt gebracht: „Eine Diktatur, gegen die man mit Genehmigung demonstrieren darf, ist keine Diktatur oder eine sehr erbärmliche Diktatur“. Er hinterfragt auch einige der „Argumente“ der Gegner und B-Promis.

Montag, 18. Mai 2020

Verschwörungstheorien in der Corona-Krise

Im letzten Blogeintrag habe ich Seiten vorgestellt, die die Phänomene Verschwörungstheorien und Hate Speech vorstellen. In diesem Beitrag geht es um die aktuelle Entwicklung bei der Corona-Pandemie. Ein weiterer Eintrag wird sich mit den Lösungsansätzen beschäftigen.

Corona-Krise als idealer Nährboden für Verschwörungstheorien

Das Dossier über Verschwörungstheorie beschäftigt sich auch mit dem Corona-Virus und den vermeintlich Schuldigen: die USA, wahlweise auch China und allen voran die Bill Gates Stiftung, die angeblich die totale Kontrolle erlangen will. Die plausible Erklärung: Die Pandemie ist ein idealer Nährboden, da die Situation sehr komplex und sehr unübersichtlich ist und die sich jeden Tag ändert.

Auch andere Autor*innen verweisen auf den gefühlten Kontroll- und Machtverlust. Katharina Nocun sagt: Insbesondere in Situationen, in denen wir einen Kontrollverlust erleben, neigen die Menschen eher dazu, an Verschwörungserzählungen zu glauben… Selbst wenn er angsteinflößend ist, hat er eine klare Struktur, man hat einen klaren Schuldigen, und das ist manchmal einfacher zu ertragen als das pure Chaos“.

Rasante und umfassende Verbreitung

Andrian Kreye verweist in der Süddeutschen Zeitung auf den Unterschied zu seriösen Meldung: Meldungen und Tatsachen verbreiten sich sechs Mal so schnell, und die besten Fake News erreichen rund tausend Mal mehr Menschen. Teil dieses Erfolgs sind auch zahlreiche Prominente, die die Meldungen an ihre Anhängerschaft verbreitet haben.

Deutschlands neue Wutbürger

Der Spiegel berichtet über Deutschlands neue Wutbürger. Es ist eine seltsame Mischung aus Menschen, die sich – nachvollziehbarerweise – Sorgen um ihre Arbeit machen, Impfgegnern, linken Gruppen, rechten Gruppen und eben Promis.
Die seltsame Melange auf den Marktplätzen wird von Verschwörungsideologen und prorussischen Medien befeuert, die Fake News verbreiten und so versuchen, die Demokratie zu destabilisieren.
Im Unterschied zu früheren Kampagnen versuchen soziale Medien wie Facebook gegenzusteuern, durch Personalnot kommen sie aber kaum hinterher.


Übernehmen Rechtsextreme die Bewegung?

Einige sehen Parallelen zur Pegida-Bewegung. Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, sieht die Gefahr, dass Rechtsextremisten sich an die Spitze der Corona-Demonstrationen stellen, die aktuell noch von mehrheitlich verfassungstreuen Bürgern gebildet werden.

Freitag, 15. Mai 2020

Verschwörungstheorien und Hassnachrichten – ein Überblick

Verschwörungstheorien und Hass im Internet und realen Leben nehmen im Laufe der Corona-Krise zu. In einem Blogeintrag habe ich bereits darüber berichtet – und es ist noch schlimmer geworden.
In diesem Eintrag stelle ich gute Zusammenfassung zur Thematik vor, in weiteren Einträgen folgen Informationen zur aktuellen Corona-Krise

Verschwörungstheorien

Die Landeszentrale für politische Bildung geht in ihrem Überblick folgenden Fragen nach:
Wie funktionieren Verschwörungstheorien? Welche Rolle spielt das Internet in der Verbreitung von Verschwörungstheorien? Worin bestehen konkret die Gefahren in Verschwörungstheorien? Und wie können Verschwörungstheorien entkräftet werden?
Am Anfang steht immer das Misstrauen, bestimmte soziale Phänomene oder historische Ereignisse werden auf Verschwörungen zurückgeführt.

Dieses Misstrauen geht einher mit einem Vertrauensverlust in den Staat und die etablierten Werte. Da viele Prozesse immer komplexer werden, grassieren Verschwörungstheorien besonders in Krisenzeiten als einfache Erklärung. Sie können als „Ersatz-Religion“ und zur Identifikation dienen.
Soziale Unsicherheit kann für viele Menschen, unabhängig der ethnischen Zugehörigkeit, ein Grund für Verschwörungsglauben darstellen.

Neben einigen gängigen Verschwörungstheorien geht das Dossier auch auf die Opfer dieser Theorien ein und die traurige lange Geschichte der Judenfeindlichkeit: Kaum eine andere Gruppe wurde in der Menschheitsgeschichte so oft für Verbrechen, Seuchen und Unheil aller Art verantwortlich gemacht, wie Menschen jüdischen Glaubens. 

Hate Speech

Zum Thema Hate Speech gibt es zahlreiche Infosammlungen, in denen Erklärungen und Strategien vorgestellt werden.
Die Bundeszentrale bietet zwei Zusammenstellung: zumFake News im Bereich Gesellschaft
und im Bereich Medienpädagogik.
Ebenso beschäftigen sich viele Initiativen damit, z.B. das No-Hate-Speech-Movement

Hate Speech (zu deutsch: Hassrede) ist ein politischer Begriff. Dementsprechend ist die Definition dessen politisch umkämpft. In Deutschland ist sie zudem keine juristische Kategorie, auch, wenn einige Straftatbestände, besonders der der Volksverhetzung, ihr nahekommen. Vorgestellt werden auch Arten von Hate Speech, wie z.B. Beleidigungen, das Bedienen von Stereotypen, Verallgemeinerungen bis hin zum Aufruf zu Gewalttaten.

Vorgestellt werden auch die Strategien sowie ihre Vor- und Nachteile. Sie reichen von ignorieren, melden, anzeigen, Gegenrede und dem humorvollen Umgang.
Der wohl wichtigste Punkt: Selbstschutz: Sich mit Hetze und diskriminierenden Äußerungen in den Sozialen Medien zu beschäftigen, kann sehr schnell belastend werden – insbesondere, wenn es zu Beleidigungen und Angriffen gegen die eigene Person kommt. Auf sich selbst zu achten und sich zu schützen sollte daher nicht vernachlässigt werden.

Mittwoch, 13. Mai 2020

„Von Helden zu Buhmännern“ oder „Was Wissenschaft ausmacht“

In einem Kommentar Der Forschkönig beschäftigt sich Markus Feldenkirchen mit Virologen wie Christian Drosten und dem Umgang mit ihnen.Außerdem klärt er Politiker*innen und andere Besserwisser auf: Ja, Wissenschaftler*innen können sich irren und sich korrigieren – das ist der Wesenskern von Wissenschaft.
Ein toller Kommentar, der die Überschrift „Der gesunde Menschenverdienst“ wirklich verdient hat.

Christian Droste for President – der Halbgott mit Wuschelhaaren

Die erste Phase der Pandemie war in der Tat bizarr, wie Feldenkirchen feststellt.
"Chrisitian Drosten wurde als Halbgott gefeiert. Wer nicht gleich ein Kind von ihm haben wollte, ging zumindest mit ihm und seinem Podcast ins Bett. Millionen Deutsche waren bereit, ihm überallhin zu folgen. Auch in die Isolation.“
Die Zeit titelte sogar „Ist das unser neuer Kanzler?
Die fast blinde Gefolgschaft war wirklich manchmal schräg, in einem Beitrag zum Klimawandel habe ich berichtet, dass sich Wissenschaftler*innen beim Klimawandel von so einer Unterstützung nicht mal träumen können. Was aber jetzt passiert ist noch beknackter, wie Feldenkirchen es ausdrückt.

Von Helden zu Buhmännern

Dass Beleidigungen und Morddrohungen unerträglich sind, bedarf keiner weiteren Erklärung. Wie aber Politiker, die sich eben noch im Licht der Virologen gesonnt hatten, umgehen ist verantwortungslos. Feldenkirchen nennt hier FDP-Chef Christian Lindner, „Ober-Shutdowner“ Markus Söder und vor allem Armin Laschet, der „gekränkt wirkt, als hätte ihn seine Frau betrogen“. 
Der Umgang, das der Überbringer der schlechten Nachricht verurteilt wird, hat wirklich etwas Mittelalterliches.

Die ewige Suche nach Erkenntnissen

Feldenkirchen verdeutlicht die Bedeutung von Wissenschaft: dazu lernen, sich korrigieren, neue Erkenntnisse hinterfragen und weiter verbessern – gerade bei einem so jungen Phänomen wie dem Corona-Virus ist dies notwendig.
Die Politiker müssen abwägen: Ein Virologe wird immer die Gefahren betonen und die Kontaktsperren fordern, Ökonomen beschäftigten sich mit den Auswirkungen und wendet sich eher dagegen: "Gute Politiker lassen sich von solchen Einschätzungen nicht kirre machen. Sie hören zu, wägen ab und entscheiden selbst. Wenn sie das überfordert, haben sie ihren Beruf verfehlt."

Montag, 11. Mai 2020

Was hat Corona, was der Klimawandel nicht hat?

Einen spannender Kommentar in GEO beschäftigt sich mit den Unterschieden zwischen der Corona- und der Klimakrise.
Obwohl sich in beiden Fällen Forscher weitgehend einig sind, werden in der Corona-Krise Verbote und Einschränkungen sofort akzeptiert. Der Artikel erschien bereits im März als das Robert-Koch-Institut noch unumstritten war, dennoch hier ein interessanter Vergleich:
Wenn jetzt ein Gutachten aus dem Robert-Koch-Institut zu dem Schluss käme, dass Tempo 100 auf Autobahnen die Ausbreitung des Virus verlangsamen könnte: Das Limit könnte über Nacht in Kraft treten. Und alle würden sich daran halten.

Was hat Corona, was der Klimawandel nicht hat?

Ein Unterschied ist, dass die Corona-Krise als akute und unmittelbare Gefahr für jeden empfunden wird. Der Klimawandel betrifft zwar bereits jetzt viele Menschen, die akute Gefahr erscheint aber noch weit weg. Richard David Precht bringt es auf den Punkt: Die Menschen haben mehr Angst um ihr Leben, als um das Überleben der Menschen.

Gegen die Klimakrise gibt es keinen Impfstoff

Der grüne Parteichef Robert Habeck verweist in einem Interview ebenfalls auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede: Beide sind global, ihre Bekämpfung macht internationale Kooperation notwendig. Beide zwingen uns, alte Gewissheiten infrage zu stellen. In beiden Fällen wäre es gut, auf Expert*innen zu hören und den Anstieg der Kurve – Infektion und Temperatur – abzuflachen. Er warnt davor, angesichts der aktuellen Situation die Klimakrise aus den Augen zu verlieren, denn gegen die Klimakrise wird es nie einen Impfstoff geben.

Samstag, 9. Mai 2020

Bedingungsloses Grundeinkommen - gerade jetzt (nicht)?

Viele Diskussionen, die es bereits vor der Corona-Krise gab, werden nun unter den neuen Bedingungen wieder aufgenommen. So auch die Debatte über das Grundeinkommen, das in der ZEIT den passenden Namen Corona-Geld bekommen hat. In der Zeit vom 26. März gibt es in der Kategorie eine Gegenüberstellung von Argumenten  (Nur für Abonnenten).

Drei Monat Sicherheit – für Zuversicht und Neustart

Roman Pletter verweist auf die grassierende Angst vieler Menschen, die von der Corona-Krise hart getroffen wurden. Er schlägt vor, sechs Monate 1200 Euro an jeden Bürger auszuzahlen. Die Kosten dafür - 576 Mrd. Euro, seien im Vergleich zu den anderen Summen überschaubar. Ein weiterer Aspekt: Eine Krisenhilfe für drei Monate hat auch das Zeug dazu, das Vertrauen der Bürger in den Staat zu festigen. Er hofft danach auf „Geld und Loyalität“ der Bürger, um die Krise schnell zu überwinden.

Es wird schwierig, die Schulden je wieder abzutragen

Kolja Rudzio argumentiert,  dass es nicht am Geld liegt, dass die Welt still steht. Er fordert gezielte Hilfe, für die in Not Geratenen. In manchen Fällen – kleine Unternehmer mit Angestellten -  ist die Summe von 1200 Euro auch nicht ausreichend. Gleichzeitig erhalten Menschen Geld, die es gar nicht nötig haben. Er äußert außerdem Zweifel, ob die zu erwartenden Schulden jemals abgetragen werden können.

Bedingungsloses Grundeinkommen in Finnland

In diese Diskussion kommt der Abschlussbericht eines Experiments über das bedingungslose Grundeinkommen in Finnland. Daniel Bakir beschreibt im Stern, dass beide Seiten die für ihre Argumentation günstigen Punkte hervorheben.Während die Gegner betonen, dass es keinen Effekt auf den Arbeitsmarkt gegeben haben, stützen sich die Befürworter auf die Tatsache, dass die Menschen glücklicher und zufriedener sind.

Die Debatte geht weiter

Das Experiment in Finnland wird nicht fortgesetzt und mit den umfangreichen beschlossenen Rettungsmaßnahmen ist auch klar, dass zumindest kurzfristig auch kein Grundeinkommen in Deutschland kommt. Die Debatte wird bleiben, da sie mit Themen nach der Zukunft der Arbeitswelt und unserer Gesellschaft  Fragen aufwirft, die es zu diskutieren gilt – sowohl für Befürworter als auch Gegner des Grundeinkommens.

Donnerstag, 7. Mai 2020

Die Anstalt - Was läuft schief in unserem Gesundheitssystem?

Claus von Wagner, Max Uthoff und ihre Gäste haben sich in ihrer Satiresendung "Die Anstalt" mit dem Gesundheitssystem beschäftigt. Es ist natürlich überspitzt dargestellt, aber das ist ja auch die Aufgabe von Satire – absolut empfehlenswert!

Die Folgen der Ökonomisierung im Gesundheitssystem

In der Sendung werden zahlreiche Fehlentwicklungen aufzeigt, die auch im Faktencheck nachzulesen sind.

Einige „Highlights“

Ärzte und Pfleger gelten im ökonomisierten Krankenhaussystem als Kostenfaktoren mit 15% Rendite. Der Vorwurf, dass vor dem Fallpauschalensystem die Kosten explodiert sind, stimmen nicht: Die Ausgaben für das Gesundheitssystem sind die letzten Jahrzehnte immer gleich geblieben. Sie betragen im Verhältnis zur Wirtschaftskraft konstant 6,5%. Scharf kritisiert werden auch Bertelsmann und Co., die mit fragwürdigen Methoden die Ökonomisierung des Krankenhauswesens vorangetrieben haben.

Zu viele Krankenhäuser?

Ein interessanter Aspekt ist auch, dass bis vor kurzem viele die Schließung von Krankenhäuser gefordert haben – auch Karl Lauterbach, der derzeit in vielen Talkshows zu sehen ist: „Jeder weiß, dass wir in Deutschland mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite, Klinik schließen sollten. Dann hätten wir anderen Kliniken genug Personal, geringere Kosten, bessere Qualität, und nicht so viel Überflüssiges. Länder und Städte blockieren“.

Newton und Merkel stellen das neue Gesundheitssystem vor

Köstlich auch das Finale mit Merkel und Newton, in dem sie das neue Gesundheitssystem vorstellen, u.a.
  • Abschaffung des Fallpauschalensystems
  • Öffentliche Hand kehrt zurück zur Finanzierung des Krankenhaussystems
  • 10 Mrd. für ein Rettungspaket für Pfleger anständige Löhne, die sich nur noch um 5 Patienten kümmern müssen
  • Gesundheitsökonomen sollen die Regale einräumen
  • Alle Minister spenden 20 % ihres Gehalts wie in Neuseeland
Die ganze Sendung sehen Sie auf der Homepage der Anstalt.

Dienstag, 5. Mai 2020

Italien und die Corona-Krise - wendet sich Italien von der EU ab?

Italien ist das Land, das in Europa am härtesten von der Corona-Krise betroffen ist: es gibt fast 200.000 Infizierte und über 26.644 Tote. Der Streit um Corona-Bonds und das beidseitige Spielen mit Vorurteilen zeigen die tiefgreifenden Probleme.

Entfremdung bereits vor der Corona-Krise

Ulrich Ladurner konstatierte bereits vor der Krise: „Wir haben es mit einem Land zu tun, das sich innerlich abgekoppelt hat von Europa. Es gibt eine mentale und psychische Abkoppelung in Italien von Europa, und das macht mir Angst“.
Sowohl bei der Euro- als auch der Flüchtlingskrise fühlte sich Italien im Stich gelassen, ein Gefühl, das von den Matteo Salvini aufgenommen und 2019 zu einem triumphalen Wahlsieg bei den Europawahlen führte.

Fragewürdige Reaktionen der Europäer

Als die Katastrophe in Italien seinen Lauf nahm, stoppten die EU-Staaten erst mal den Export von Schutzkleidung. Russland und China sprangen mit Hilfslieferungen ein und können wahrscheinlich immer noch nicht fassen, wie einfach sie die Europäer vorführen konnten. Auch wenn mittlerweile ein umfangreiches Rettungspaket beschlossen wurde, hinterlässt der erbitterte Streit um Corona-Bonds Wunden.

Fatales Zerrbild von Italien

In zwei Artikel von SPIEGEL ONLINE rechnet Thomas Fricke mit vielen Vorurteilen ab. Anders als häufig behauptet, sind die Ausgaben in Italien seit vielen Jahren zurückgegangen, auch im Gesundheitssystem – mit fatalen Folgen.
„Man muss sich nur einen Moment in jene Menschen in Mailand oder Bergamo hineinversetzen, die seit Jahren ... Kürzungen im täglichen Leben zu spüren bekommen haben, wegen überlasteter Krankenhäuser womöglich gerade ihren Vater oder ihre Mutter verloren haben - und jetzt von deutschen Großkotzen lesen, sie hätten ja mal sparen können.“

Müssen arme Deutsche für reiche Italiener zahlen?

Auch die Geschichte, dass armen Deutsche für reichte Italiener zahlen, hält Fricke für nicht glaubhaft.
Abgesehen von fragwürdigen Berechnungen und der Tatsache, dass Italien nichts für die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland kann, bleiben Fragen offen. Nach seiner Ansicht würde eine Vermögenssteuer (die dieselben Leute in Deutschland strikt ablehnen) zu einer Kapitalflucht und einer Verschärfung der Probleme führen.

Antideutsch, antieuropäisch und ohne Plan

Um ausgewogen zu bleiben, möchte ich nochmals Ulrich Ladurner zitieren. In seinem Artikel "Antideutsch, antieuropäisch und ohne Plan" kritisiert er die italienische Regierung, die auf der Welle der antieuropäischen Ressentiments reitet. Angesichts der bockigen Haltung fragt er zurecht: "Wie kann man den Italienern helfen, ohne sie zu kränken?"

Etwas Hoffnung bleibt

Mit dem Entscheidung die Hilfe über den Haushalt zu organisieren, könnte der emotionale Streit etwas abklingen. Bundespräsident Steinmeier hat in seiner Rede zurecht europäische Solidarität eingefordert: „Deutschland kann nur stark und gesund aus der Situation hervorgehen, wenn es auch den Nachbarn gut geht.“
Während der Austritt Großbritanniens – so schmerzhaft er auch war und wird – verkraftbar ist, erscheint ein möglicher Austritt des Gründungsstaats Italiens aus der EU schlicht nicht vorstellbar.

Sonntag, 3. Mai 2020

Warum Trump trotzdem gewinnen kann

In meinem letzten Beitrag habe ich Artikel vorgestellt, die Amerika am Abgrund sehen. Etwas weniger harsch argumentiert Hubert Wetzel in der Süddeutschen vom Wochenende.

Trumps Corona-Politik

Donald Trump hat sich ja schon einiges geleistet, in der Corona-Krise hat er sich aber selbst übertroffen. Erst hat er die Probleme lange klein geredet, dann betonte er, dass er die Probleme lange geahnt hat. Es folgten Ausfälle wechselweise gegen China, demokratische Gouverneure und die Weltgesundheitsorganisation. Er faselt über ein intelligent gewordenes Virus, das sich nicht mit Antibiotika bekämpfen lässt. Vorläufiger Höhepunkt war dann Überlegungen zur innere Anwendung von UV-Licht und dem Spritzen von Desinfektionsmitteln als Mittel gegen das Virus. Wie oft er daneben lag, dokumentiert der SPIEGEL.

Warum ist er immer noch so populär?

Seine Anhänger verzeihen ihm alles. Bereits 2016 hat Trump vermutet, dass er jemand erschießen könnte und seine Anhänger würden ihm treu bleiben – vermutlich hat er recht. Bei vielen Menschen seiner heterogenen Wählerschaft kommt er weiterhin gut an. Außerdem sind Krisen die Stunde der Exekutive, auch in anderen Staaten werden Regierungen beliebter. So absurd manche Ausführungen seiner Pressekonferenzen sind, so hoch ist auch die Aufmerksamkeit.

Ein unglücklicher Gegenkandidat

Sein Gegenkandidat Joe Biden macht nicht immer eine glückliche Figur. Obwohl ihn mittlerweile alle demokratischen Präsidentschaftskandidaten unterstützen, bleibt fraglich, ob ihm beispielsweise die Anhänger von Bernie Sanders folgen – ein charismatischer Politiker wie Barack Obama ist der 77jährige auf jeden Fall nicht. Nun kommen auch noch Vorwürfe sexueller Übergriffe hinzu einschließlich eines sehr langen Schweigens.

Das amerikanische Wahlsystem

Donald Trump hatte 2016 rund 3 Millionen Stimmen weniger als Hillary Clinton und wurde trotzdem Präsident – das amerikanische Wahlsystem macht es möglich. Es geht darum die heiß umkämpften Swing-States zu gewinnen und damit mehr Wahlmänner zu gewinnen. Die Kandidatur des Trump-Gegner Justin Amash für die Libertären Partei könnte im heiß umkämpften Michigan könnten ausgerechnet Biden wichtige Stimmen kosten, argumentiert der SPIEGEL.
Bis zur Wahl ist es noch eine Weile und es ist auch den Amerikanern zu wünschen, dass sie diese furchtbare Situation möglichst gut überstehen.

Freitag, 1. Mai 2020

Die USA - eine ohnmächtige Nation?

Wie in vielen anderen Staaten verstärkt das Corona-Virus Tendenzen, die es bereits vorher gab. Im Falle der USA sind dies ein irrlichtender Präsident, eine unzureichende soziale und gesundheitliche Versorgung für viele Menschen – und ein tief gespaltenes Land.
Einen Überblick über die aktuelle Situation bietet das Dossier Coronavirus in den USA der Landeszentrale für politische Bildung.
Außerdem stellte ich zwei Analysen vor, die eine schonungslose Bilanz ziehen. Diese sind vielleicht an einigen Stellen einseitig, aber sie legen den Finger in die Wunde.

Eine ohnmächtige Nation

In einer Analyse für die ZEIT bezeichnet Klaus Brinkbäumer die USA als ein dysfunktionales Land. „Und unter Donald Trump kann es sich nicht einmal über die Wirklichkeit verständigen.“

Schon vor Trump und Corona war einiges im Argen:
Die „wahnhaften und falschen Konsequenzen“ nach dem 11. September mit dem sinnfreien Tod tausender Menschen und Verbrennen dem vieler Milliarden Dollar. Als weitere Beispiele nennt er die hilflose Reaktion auf den Hurrikan Katrina 2005 und die Wirtschaftskrise 2008. Unter Trump hat sich dies nun verschlimmert: 
  • Die Verachtung von Wissenschaft und überhaupt Bildung, verkörpert durch den Fernsehsender Fox News
  • Die Verachtung des steuernden, gestaltenden Staates. Als Beispiel nennt er, dass 27 Millionen Menschen keine Krankenversicherung haben und die große Ungleichheit. 
  • Ein mieses Krisenmanagement und der Ernennung von Personen, die für diese Aufgabe völlig unqualifiziert sind,  z.B. sein Schwiegersohn. „Die Inkompetenz von Schwiegervater und Schweigersohn tötet Menschen“.

Ein Blick hinter die Fassaden der großartigsten Nation der Welt

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Stern, der die Schwächen der USA auflistet:
„Die Vereinigten Staaten entblößen sich vor unseren Augen als Bananenrepublik, in der die Reichen die Flucht ins Ferienhaus ergreifen, während die Armen und Schwachen auf der Straße sterben, weil im Krankenhaus kein Platz mehr ist.“
Auch diese Analyse beschäftigt sich mit dem „kranken Gesundheitssystem“: durch astronomische Preise für Medikamente und Arztbesuche hat die USA die höchsten Ausgaben für Gesundheit pro Kopf,  Menschen, die sich von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck retten, sind aber nicht ausreichend abgesichert.